aus Trainer- und Steuermannssicht
2022. Für das Frauenteam im EKRC die erste richtige Saison[1]. Nach den verschiedenen Frühlingsregatten, der Coastal-Regatta in Kiel, einem Trainingslager in Ratzeburg und der Langstrecke in Berlin jetzt noch unser Saisonabschluss: Der Fari-Cup in Hamburg. 7,5 km. Zunächst auf dem Kanal, dann die letzten 2 km auf der Außenalster – zu acht in einem Boot[2]. Für viele war es das erste Mal auf dieser Strecke, für Hannah war es sogar das erste Rennen überhaupt. Hochmotiviert hat sie im Sommer aus dem Stadtachter den Weg ins Team gefunden. Deswegen sei ihr auch ihre vorsichtige Frage im Voraus verziehen: „Fahren wir da denn auch schnell?“. Ja, Hannah. Wir fahren da schnell.
Dafür verantwortlich waren dieses Mal Mona und Svenja auf den Schlagplätzen. Mona hatte jedoch sehr mit einem zu tiefen Ausleger zu kämpfen. Zum Umstellen fehlte uns jedoch auf der Alster sowohl Zeit als auch Werkzeug. Also improvisieren: „Ich versuch mir einfach keinen Krebs zu ziehen“. Gute Idee! Beim Warmfahren konnte Mona das mit ein paar Schlägen auf Rennfrequenz schon mal testen. Denn je schneller, desto besser steht das Boot im Wasser. Hannah durfte sich währenddessen vergewissern, dass wir definitiv nicht zu langsam unterwegs sein werden und Jule fragte sich mal wieder: „Wie soll man das gleich 7,5 km durchhalten?“. Aber da das nicht ihr erstes Langstreckenrennen war, wusste sie auch: „Am Ende schafft man’s halt trotzdem irgendwie“.
Nach 40 Minuten des Wartens auf den Start in der Sonne war die Zeit gekommen. Das einzige gegnerische Boot aus Hamburg hatte gerade – mit einer Minute Vorsprung – die Startlinie passiert, da durften wir uns 200 m vor dem Start in Bewegung setzen und kontrolliert die Schlagzahl steigern, um gerade rechtzeitig auf Renngeschwindigkeit unsere Startnummer 149 im Bug über die Linie der Zeitnahme zu schieben. Im letzten Langstreckenrennen in Berlin waren die Gegnerinnen sehr schnell sehr weit außer Sichtweite. Das kann passieren, wenn man als Team in der zweiten Wettkampfebene startet. Das Leistungsspektrum ist sehr groß und manchmal bekommt man dabei richtig „einen auf den Deckel“. Das wissen alle, aber dennoch kann das sehr demotivierend sein.
Doch dieses Mal blieb das gegnerische Boot in Sicht- bzw. Hörweite. Wie gut, dass man als Steuermann in diesen Zeiten immer mindestens ein smartes Gerät mit Stoppuhrfunktion an sich trägt[3] und den Abstand nach vorne messen kann. Nach einem Ausweichmanöver in der ersten Kurve um einen Schwan, der sich nicht an die Fahrtordnung halten wollte, betrug der Abstand immer noch eine Minute. Doch kurze Zeit später: 50 s. Das wollte noch niemand im Boot so richtig glauben. „Der redet wieder nur, um uns zu motivieren.“ Schlimm. Ein Steuermann, der motiviert. Aber dann: Noch 20 s. 15 s. Zwei Bootslängen. Und spätestens zu dem Zeitpunkt sahen alle das Heckwasser des gegnerischen Bootes. Dieses versuchte zunächst noch dagegen zu halten. Ganz von selbst ging bei uns aber die Schlagzahl hoch: 31. 32. 33. Und noch vor der Streckenhälfte waren Gesine und Melanie im Bug die Ersten, die ihre Rollsitze vor dem Bugball der Hamburgerinnen hatten.
Beflügelt von dem perfekten Überholmanöver ging es weiter Richtung Außenalster. Die letzte Brücke und dann noch 2 km bis ins Ziel. „Praktisch der Endspurt!“. „Meint er das ernst?“. Eigentlich schon. Außenalster heißt Endspurt beim Fari-Cup. Das hat Tradition. Also musste der Druck nochmal steigen, die Schlagzahl etwas angehoben werden, denn von hinten näherte sich langsam das nächste Boot, das nach uns gestartet wurde. Ein Masters-Achter vom RC Süderelbe. Das sah auch Anna-Louisa „Alko“ im Mittelschiff und nahm sich das als „Motivation, um nochmal einen drauf zu legen“. Und obwohl dieses Boot in einem anderen Rennen unterwegs war, übertrug sich diese Motivation ins ganze Boot und es wurde den Masters wahrlich schwer gemacht vorbei zu fahren.
Bei Gegenwind und guter Alsterwelle[4] startete der letzten Kilometer. Die letzten 500 m. 300 m. Und unter den Anfeuerungsrufen des Regattapublikums ging es über die Ziellinie – mit einem kollektiven Schrei im Boot. Nicht der Schmerzen wegen[5], sondern aus Freude an einem perfekten Rennen, einem zusammenarbeitenden Team und der Gewissheit als Siegerinnen ins Ziel gekommen zu sein.
Dieses Team wurde im letzten Jahr gegründet, um Koordination, Organisation und Verlässlichkeit ins Training zu bekommen, mit dem Ziel, Spaß an gemeinsamen Trainings mit dem Team und Regatten zu haben. Unabhängig davon, ob das Meldefeld auf einer Regatta erfolgsversprechend ist oder nicht. Das Ziel für jedes Rennen soll sein, mit der Teamleistung zufrieden zu sein und Spaß dabei zu haben[6]. Mit diesem Hintergrund hätte diese Saison mit diesem Rennen kaum besser enden können. Mona hat sich keinen Krebs gefangen. Jule hat es, wie auf jeder Langstrecke, wieder mal geschafft. Hannah weiß jetzt, wie man schnell fährt. Jede im Team hatte während der 7,5 km die mentale Stärke alles aus sich rauszuholen. Und alle haben damit gewonnen.
Doch es kam noch etwas besser. Der „Fari-Cup“ ist nicht nur der Name der ganzen Regatta, sondern auch der Titel des Hauptpreises, verliehen an das Boot (jeweils im Achter und Vierer), das den größten Vorsprung auf das zweitplatzierte Boot rausfährt. Da „Vorsprung“ als Zeitdifferenz zum Gegner definiert ist, schließt dies natürlich Boote, die außer Konkurrenz fahren, aus. Deswegen waren wir alle umso erfreuter über die Gegenmeldung im Frauenachter, denn zum Höhepunkt des – und damit wirklich nicht mehr steigerbaren – Saisonabschlusses war es bei der Siegerehrung die Startnummer 149, die als Gewinner für diesen Preis ausgerufen wurde. Fast drei Minuten kamen wir vor unseren direkten Konkurrentinnen ins Ziel. Mehr als jedes andere Siegerboot. Und mindestens genauso groß wie die Erleichterung über diesen mehr als gelungenen Abschluss einer Saison in der wir nicht alle Regatten wie geplant besuchen konnten, war mit dieser Verkündung der Jubel bei Mona, Svenja, Lena, Alko, Jule, Hannah, Melanie und Gesine sowie dem auf sein Team sehr stolzen Steuermann und Trainer.
Felix Eckel
Titelbild: meinruderbild.de
1 Mit ihren Höhen und Tiefen so extrem wie der Wellengang bei der Kieler Coastal-Regatta
2 Und einem Steuermann, dessen einzige Aufgabe es war, alles aus „seinen Mädels“ herauszuholen. Und ein bisschen Steuern halt.
3 Auch wenn Lena auf Platz 6 nicht ganz ihren Augen trauen wollte. „Was macht der da jetzt am Handy?!“
4 Aber keine Herausforderung für das Förde-erprobte Team.
5 Vielleicht auch ein bisschen
6 Ruder*innen haben evtl. eine angepasste Vorstellung von Spaß.
Welch ein toller Artikel, Felix! Wunderbar! Beim Lesen sitzt man ja mit im Boot! Herzlichen Glückwunsch an ALLE für diesen großartigen Saisonabschluss! Anne, Bernd und Nina