Rudern im Zeichen des Apfels

30. Mai 2019 | Von | Kategorie: Aktuell, Freizeitsport

Von Gravenstein auf die Flensburger Förde

Die Wettervorhersage drohte mit Dauerregen und starkem Wind aus Südwest. „Ist das vernünftig, bei diesen Aussichten überhaupt loszufahren?“ kommt schon beim Treffen am Bootshaus die bange Frage. „Lasst uns erst einmal losfahren und sehen, ob es so schlimm wird. Notfalls fahren wir durch bis Sonderborg und essen dort den Tag über Hot Dog.“ Gesagt, getan, also Abmarsch.

Am Ende werden wir unser Hot Dog gegessen haben und es sollte lecker sein. Und wir waren nicht in Sonderborg, sondern bei Anni’s Imbis an der Flensburger Förde, dem geplanten Ziel unserer Fahrt. Allerdings nicht mit dem Ruderboot, sondern mit dem Auto bei einem kurzen Stopp auf der Rückfahrt.

Doch zunächst auf die Autobahn. Strömender Regen, die Sicht ist schlecht. Wir haben Zeit, uns mit Motivationsparolen bei Laune zu halten:

„Das muss so sein, das ist alles Vorbereitung auf den kommenden schönen Sommer!“
„Haben wir denn schon Kieler Woche?
„Alles was jetzt herunterkommt, ist nachher schon unten.“
 „Besser wir jammern ein wenig, als dass wir uns das dauernde Gejammer der Bauern anhören müssen!“
„Das sieht nur aus dem Auto so schlimm aus!“

Der Apfel empfängt uns bereits als Bestandteil des Ortswappens am Ortseingang von Gravenstein (dänisch Gråsten) und soll uns auch den ganzen Tag über begleiten. Jedes Mal, wenn der Wind die Clubflagge am Heck unserer Boote entfaltet, fällt der Blick der Ruderer auf den Apfel, den der Deutsche Ruderclub Gravenstein (DRG) auch in den Mittelpunkt seines Clubwappens gestellt hat.

In Gravenstein steht übrigens auch das gleichnamige Schloss, noch heute regelmäßig genutzter Sommersitz der Dänischen Königsfamilie. Aus dem Schlossgarten soll im 17. Jahrhundert der namensgebende Apfel (oder war es umgekehrt?) seinen Einzug in Nordeuropa gestartet haben.

Angekommen am Nybøl Nor warten schon Norbert und Marina vom DRV auf uns. Sie haben sich den Tag reserviert, um uns auf unserer Fahrt durch die dänischen Gewässer zu begleiten. „Ist das nicht der Ruderclub, bei dem man die Boote nicht tragen muss?“ fragt eine Mitreisende, die sich durch Studium von Berichten zu früheren Fahrten auf diese Reise vorbereitet hat. Vier Boote liegen für uns bereit.

Es handelt sich um sogenannte „Innenrigger“. Der Name rührt daher, dass diese Boote keine außen angebrachten Ausleger besitzen. Vielmehr sind die Dollen auf der Bordwand angebracht, der nötige Hebel wird dadurch erreicht, dass die Boote entsprechend breit ausgelegt sind. Man rudert Riemen, die Ruderer sitzen seitlich versetzt jeweils an der ihrer Dolle gegenüber liegenden Bordwand. Und die Breite der Boote vermittelt angesichts der angedrohten Wetterverhältnisse eine gewisse Geborgenheit, wirft aber gleichzeitig die Frage auf: „Wie bekommen wir die Kolosse zu Wasser?“

Das Geheimnis soll sich gleich lüften, doch zuvor beladen wir die Boote vor der Bootshalle noch mit allem Notwendigem – einschließlich unseres Gepäcks, bevor wir sie komplett über die Slip Anlage zu Wasser lassen, in der Tat, ohne sie einen Schritt zu tragen.

Während der Vorbereitungen ist auch der gefühlte Weltuntergang aus der Autoperspektive einem leichten Nieselregen gewichen, entsprechend gekleidet machen wir uns auf den Weg über das Nor in Richtung Flensburger Förde. Bei der ersten Windbö lässt Ulrike die von Claus liebevoll vorbereitete Streckenkarte über Bord wehen. Nur eine spontane Bergungsaktion kann uns vor der kompletten Orientierungslosigkeit bewahren. Ulrikes vom Nieselregen benebelte Brille in Verbindung mit der in der Nässe langsam verlaufen Druckerfarbe führen beim Blick auf die Karte allerdings doch zu einer gewissen Trübung der Orientierung. Wir werden den Rest der Strecke weitgehen auf Sicht fahren müssen und auch mit klarer Brille lassen sie die klassischen Fragen wie „sind wir bald da?“ nur noch nebulös beantworten.

Hinter der Durchfahrt aus dem geschützten Nor in die Förde treffen wir als Kontrast zunächst die angesichts der Windverhältnisse erwarteten relativ hohen Wellen. Die Weiterfahrt unter Land beschert uns dann aber doch angenehm ruhiges Wasser. Inzwischen ist es auch trocken geworden, das Format unseres Bootes vermittelt eine gewisse Gelassenheit und so gleiten wir entspannt die Flensburger Förde entlang Richtung Ochseninseln.

Hinter der nächsten Landzunge, etwa auf halber Strecke, ist es dann allerdings vorbei mit der Ruhe. Der Wind erreicht uns nun ungebremst, heftige Wellen schlagen uns entgegen und am Horizont verdunkelt sich der Himmel zusehends. Diskussionen in allen Booten, Einsicht und Entschluss, bei einigen früher, bei einigen zögernd – wir kehren um.

Auf dem Rückweg legen wir als Ausgleich auf dem geschützten Wasser des Nybøl Nor einen Abstecher nach Absdøl an der Nordspitze ein. Stege und ein kleiner Strand laden zum Anlegen ein. Doch das Wetter motiviert nicht zum Verweilen und so wird die Infrastruktur lediglich von einigen Booten zur Abwickelung der Blasenlogistik genutzt. Wir machen uns direkt wieder auf den Rückweg zum Bootshaus, angespornt durch den auffrischenden Wind und wieder einsetzenden Regen.

Zurück am Steg müssen wir die Boote zwar nicht tragen, aber das Einfädeln der Boote auf die Bootswagen und dieser auf der Slipanlage ist auch kein Selbstgänger. Nachdem wir diese Herausforderungen erfolgreich gemeistert haben und frisch geduscht den Vereinsraum betreten, empfängt uns verführerischer Kaffeeduft. Während wir die Boote klargemacht haben, hat Marina gekocht. Bei einem kleinen Picknick mit dem restlichen Proviant blicken wir aus ersten Stock des Vereinsheimes durch die Panoramafenster über das Nor und noch einmal zurück auf einen dann doch noch erfolgreichen Rudertag. Denn wir konnten – im Gegensatz zu den Mastersruderern in Holland (vgl. https://www.ekrc.de/aktuell/head-of-the-river-amstel-2019/) – trotz widrigen Wetters rudern und den Ausflug in Dänische Gewässer genießen.

Unser geplantes Tagesziel laufen wir auf dem Rückweg dann doch noch an. Während wir mit Hot Dog und Softeis in der Hand unter den ausladenden Sonnenschirmen dem nun wieder strömenden Regen lauschen beglückwünschen wir uns zu unserem Entschluss, rechtzeitig umgekehrt zu sein. Den Regen hätten wir sonst noch auf der Rücktour im Boot genossen!

Danke an Claus Rieken, dass Du Dich um diese Fahrt gekümmert hast. Und ganz besonderen Dank natürlich an Norbert und Marina, dass wir bei Euch zu Gast sein durften und Ihr Euch die Zeit für uns genommen habt. Gerne kommen wir noch einmal wieder, um die Tour nach der ursprünglichen Planung einmal zu Ende zu fahren!

Hans-Martin Hörcher

2 Kommentare zu “Rudern im Zeichen des Apfels”

  1. Grommeck (Harald Schulz) sagt:

    Toller Bericht über ein Gewässer, das wir sonst nur mit dem Segelboot durchfahren.

    Aber leider, Hans-Martin, ist die ein grober Faux-Pas passiert. Der DRG ist nicht der Dänische Ruderclub Gravenstein (Grasten) sondern der Deutsche Ruderclub Gravenstein. Einer der 6 Vereine des Nordschleswiger Ruder-Verband, in dem die Vereine der deutschsprachigen Minderheit im Süden Dänemarks organisiert sind.

    Neben dem DRG gehören dazu Germania Sonderburg, der Deutscher Ruderverein Norderharde, der Apenrader RV, der RV Hoyer in Töndern und der Deutsche Ruderverein Hadersleben. Ich meine, bin mir aber nicht sicher, dass diese Vereine Mitglied im Deutschen Ruderverband DRV sind. Der NRK, den Nordslesvig Roklub ist auch Teil des Nordschleswiger Ruder-Verband, ist aber Mitglied im Dänschen Ruder-Verband dem Dansk Foreningen for Rosport (DfR). Hier sind die Regattaruderer der Deutschen Minderheit organisiert, die hierüber an den Regatten des des DfR teilnehmen können. Siehe auch http://www.nrv.dk.

    In den 80iger und 90iger Jahre gab es einen regen Austausch zwischen dem EKRC und den Vereinen des NRV (siehe auch 150 Jahre EKRC . Ich erinnere mich an viele Regatten und Waldläufe. Viele Freundschaften wurden geschlossen, die heute noch Bestand haben. Legendär waren die Regattaparties in Hadersleben…

  2. Mensch Grommeck, gut dass wenigstens einer aufpasst!

    Natürlich waren wir zu Gast beim Deutschen Ruderclub Gravenstein. Habe ich sofort korrigiert.

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