Gondeln, Dampfschiffe und Brückengeister

29. Oktober 2022 | Von | Kategorie: Aktuell, Freizeitsport

Hamburg neu entdeckt

Am Morgen des 15.10.2022 treffen nach und nach die Fahrgemeinschaften beim Ruderclub Dresdenia in Hamburg ein. Wir werden freundlich von Julia begrüßt, einer der dortigen Ruderkameradinnen. Engagiert zeigt sie uns die Räumlichkeiten, weist uns die Holzboote „Dresdenia“, „Kehrwieder“ und „Stintfang“ zu und erklärt, welche Skulls wir nehmen sollen, da diese teilweise nicht markiert sind.

Die Bauart der Boote erinnert an unseren „Tom Kyle“ am Westensee. Die Stemmbretter werden auch mit Schrauben in Löchern eingestellt. Die „Dresdenia“ und die „Kehrwieder“ scheinen uns etwas „dünnwandig“ zu sein. Sogar der Begriff „Furnierholz“ wird in diesem Zusammenhang ausgesprochen. Bedenken, ob wir damit den voraussichtlich windigeren Verhältnissen auf der Außenalster würden standhalten können, erweisen sich später allerdings als unbegründet. Die „Stintfang“ kommt etwas robuster daher. Super gepflegt, angenehm zu fahren und gut zu steuern sind alle drei Boote.

Spontan finden sich die drei Mannschaften zusammen, wobei in jedem Boot zunächst ein erfahrener Ruderer das Steuern übernimmt. Im Verlauf der Tour wechseln wir uns damit ab. Aufgrund schmaler Kanäle und enger Kurven ist das Steuern zwar herausfordernd, aber Dank überwiegend spiegelglattem Ententeichwasser sowie wohlwollenden und mitdenkenden Kameraden gut zu meistern.

Das Wetter ist uns hold: Der Himmel ist leicht bedeckt, aber es bleibt trocken. Die Luft ist frisch und duftet nach Herbst.

Entspannt gleiten wir hinein in Hamburgs Wasserwelten und cruisen nach einem kurzen Abstecher in den Osterbekkanal zunächst auf dem Barmbeker Stichkanal gen Norden, wo wir über die Alte Wöhr in den Goldbekkanal gelangen, der uns nach Westen führt. Schon bald erreichen wir die erste Station, für die allein sich die Tour schon gelohnt hat: Den Stadtparksee, mit seiner skurrilen Badeanlage und den geschwungenen Fußgängerwegen direkt am Wasser. Kaum sind wir dort angekommen, brechen die Wolken auf, und die Sonne lässt die Landschaft malerisch erstrahlen. Wir machen halt, um diesen schönen Moment und die klare Luft zu genießen.

Dann geht es wieder zurück auf den Goldbekkanal, dessen Verlauf wir bis zum Rondeelteich folgen, an dessen Ufern sich respektable Villen und gehobene Wohnhäuser mit gepflegten Grünanlagen befinden. Im Verlauf der Reise beeindruckt uns die Vielfalt der Umgebung: Mal fühlt man sich wie im Spreewald, alles grün und ruhig, dann kommen wieder kultivierte Passagen, wo man Einblicke in üppige Gärten erhält und private Stege reicher Leute das Ufer säumen, dann kommt man an bunten Schrebergärten mit Wasserzugang vorbei, dann wiederum passiert man ganz normale Mietshäuser, deren direkt mit dem Wasser abschließende Wände mit diversen Wassersportgeräten, wie z.B. Kanus oder SUPs bestückt sind, befestigt an Haken oder Krankonstruktionen Marke „Eigenbau“ – kurzum: Was die Mannigfaltigkeit der Eindrücke anbelangt, dürfte diese Tour nur schwer zu überbieten sein.

Auch das Rudern selbst ist hier abwechslungsreich. Stellenweise lädt die Route durchaus zu sportlicherem Skullen ein: Bei den längeren geraden Abschnitten kann auch mal ordentlich „mit Schub“ gerudert werden.

Zudem begegnen uns allerlei ungewöhnliche Gefährte. So staunen wir nicht schlecht, als gefühlt „mitten in der Pampa“ eine italienisch anmutende Gondel komplett mit Gondoliere und einem Passagierpärchen unseren Weg kreuzt. Unsere Aufmerksamkeit wird  wenig später erneut erregt durch ein Ausflugsboot, das zu qualmen scheint. Brennt das da? Wir fangen schon an darüber zu diskutieren, ob wir die Feuerwehr anrufen sollten, als uns schließlich dämmert, dass es sich dabei um ein Ausflugs-Dampfschiff handelt. Diese Wolken, das ist kein Rauch, sondern Dampf! Das muss so! Na, dann ist ja alles gut.

Angeblich liegen auf unserer Strecke mindestens 66 Brücken. Das Mitzählen lassen wir nach kurzer Zeit sein, scheuchen aber den einen oder anderen Brückengeist auf, der sich bei der Durchfahrt durch schauriges „Huuhuuuhuuuuu“ bemerkbar macht – das bei unserem Boot merkwürdiger Weise stets vom Bug zu kommen scheint.

Wir rudern die Alster entlang bis zum Ruderverein an den Teichwiesen bzw. dem Ruderverein Wandsbek, wo wir für eine etwas längere Mittagspause anlegen. Für Proviant hat ein jeder selbst gesorgt. Allerdings kredenzt Sabine selbstgebackene herzhafte Mais-Peperoni-Muffins, die dankbar angenommen werden. So gestärkt brechen wir wieder auf.

Gegen Nachmittag machen sich bei den Kaffeetrinkern unter uns gewisse Entzugserscheinungen bemerkbar. So bekomme ich selbst langsam leichte Kopfschmerzen und über meinem Haupt schwebt in einer Gedankenblase das Bild eines mit duftendem Kaffee frisch befüllten Bechers. Dass hin und wieder tatsächlich genau jener Duft übers Wasser weht, macht die Sache nicht leichter. Leider ergibt es sich nicht, dass wir an einem der Stege diverser Wassersportanbieter mit Außengastronomie anlegen. Spätestens als wir die Außenalster erreichen ist die schwache Phase dann aber ohnehin überwunden. Das Wasser ist hier etwas kabbeliger. Uns als Förde-Ruderer lässt das jedoch nur ziemlich unbeeindruckt mit den Schultern zucken. Auf der Außenalster sind zahlreiche Segler unterwegs. Daher bemühen wir uns, möglichst mittig zwischen dem Ufer und den roten Bojen zu bleiben und gelangen schließlich unter einer Brücke hindurch auf die Binnenalster, die wir überqueren und wiederum bis zu einer weiteren Brücke mit insgesamt fünf Tunnelröhren gelangen, die allesamt recht schmal wirken. Aus der mittleren Röhre kommt uns zügig ein flaches, langes Ausflugsboot entgegengeflitzt – also entscheiden wir uns für die Durchfahrt ganz rechts – und finden uns auf der anderen Seite fast direkt vor dem Hamburger Rathaus und somit im pulsierenden Herzen der zweitgrößten Stadt Deutschlands wieder. An den Ufern herrscht geschäftiges Samstagnachmittagstreiben. Das direkt an der Kaimauer gelegene Café ist gut besucht. Auf den Ufer-Treppen tummelt sich allerlei Volk. Wie hypnotisiert harren wir aus und lassen die urbane Atmosphäre auf uns wirken. Bis wir von einem auf mich etwas ungehalten wirkenden Mann, den ich als Schleusenwart einordnen würde, einigermaßen energisch darauf hingewiesen werden, dass wir nun bitte wegrudern sollen – da kommt gleich was aus der Schleuse raus, da wären wir im Weg! Na gut, also ran an die Skulls und nichts wie weg!

Als wir wieder auf der Außenalster sind, um entlang des Ostufers zurückzurudern, ist plötzlich die „Kehrwieder“ weg. Später stellt sich heraus, dass die Mannschaft an einem der edlen Ruderclubs am Alsterufer kurz gehalten hat, um noch mal einen Steuermannwechsel vorzunehmen und wohl auch die Porzellan-Abteilung aufzusuchen, die offenbar neben der weiteren großzügigen Ausstattung des Vereins recht beeindruckend war.

Aufgrund der fortgeschrittenen Zeit entscheiden wir uns dagegen, noch einen weiteren Abstecher in einen nahe gelegenen Kanal zu unternehmen und stattdessen zum Dresdenia-Ruderclub zurückzukehren. Da der Steg dort ziemlich kurz ist, kann nur jeweils einer zur Zeit anlegen. Nach und nach fallen wir federnd aus den Booten (frei nach Helge Schneider).

Nachdem die Boote geputzt und nebst Skulls und Steuern im Bootshaus verstaut sind, wird unsere bunte Truppe zum Abschluss noch einmal für das obligatorische Gruppenfoto zusammengetrommelt.

Fazit: Das war ein rundum gelungener Ruderausflug, der vielfältige Eindrücke und neue Erfahrungen mit sich brachte. Was das Steuern anbelangt, so habe ich für mich als Auffrischungslektion mitgenommen, dass es sich empfiehlt, bevor man von der Mannschaft „Ruder lang!“ verlangt, erstmal „Ruder halt!“ zu rufen und dass es sich nicht empfiehlt, einem kreuzenden Segelschiff in voller Fahrt vor den Bug zu fahren, mag der Abstand auch noch so groß und das Ruderboot auch noch so schnell zu sein scheinen – manchmal ist geduldiges Warten bzw. „Ruder halt! Blatt ab! Stoppen, stoppt!“ einfach die vernünftigste und beste Wahl.

Was das Rudern angeht, war es eine attraktive Mischung aus Sightseeing bei gemütlichem Dahingleiten und sportlicheren Einlagen. Das Gesamterlebnis dieser Wanderfahrt ist schwierig in Worte zu fassen. Man muss es einfach selbst erleben. Vielleicht gibt es dafür ja schon im kommenden Frühjahr erneut Gelegenheit? Dann aber mit GoPro. Und Thermoskannen mit Kaffee an Bord.

Katja Brockmann

2 Kommentare zu “Gondeln, Dampfschiffe und Brückengeister”

  1. Andreas Harm sagt:

    Katja, toll geschrieben. Spiegelt den Tag gut wieder.
    Freue mich schon auf nächstes Jahr.

  2. Susann Schröder sagt:

    Ein sehr schöner Bericht Katja, habe ihn mit Freude gelesen!

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