Der halbe Gold-Achter um Philosoph Hans Lenk traf sich auf der Kieler Förde
Der Deutschland-Achter schrieb mit dem Sieg bei den Olympischen Spielen 1960 in Rom Sportgeschichte. Die Geburtsstunde des legendären Kiel-Ratzeburger Gold-Achters liegt 50 Jahre zurück. Gestern traf sich die „halbe“ Achtercrew an der früheren Trainingsstätte am Kieler Hindenburgufer.
Natürlich hat das „halbe“ Jahrhundert seine Spuren hinterlassen. Lange verstorben sind die ehemaligen Trainer und Betreuer, der „Ruderprofessor“ Karl Adam (Ratzeburg) und der Kieler Universitätsruderlehrer Karl Wiepcke. Mit Karl-Heinz Hopp und Manfred Rulffs leben zwei Teammitglieder ebenfalls nicht mehr. Doch irgendwie scheint die Zeit auch ein wenig stehen geblieben zu sein. Die einstigen Helden von Rom, die diverse Welt-, Europa- und deutsche Meisterschaften gemeinsam im Achter oder in kleineren Booten gewonnen haben, scherzten wie einst. „Ich zieh’ mich erst um, wenn alle da sind“, sagt Klaus Bittner. Hans Lenk und Kraft Schepke haben bereits ihre Deutschland-Trikots übergestreift. Doch Frank Schepke fehlt. Als der gemütlich über die Kiellinie herangeschlendert kommt und der Color-Line-Fähre hinterher schaut, wird sein älterer Bruder ungeduldig. „Beeil dich! Wir warten schon“, ruft Kraft – und fügt leiser hinzu: „Es hat sich fast nichts geändert“. Schließlich steigen sie doch in einen Vierer des Ersten Kieler Ruder-Clubs (EKRC) und fahren einige Bahnen auf der Förde. Verlernt haben sie auch nach 50 Jahren nichts. Am Steuer sitzt Hans-Rudolf Schröder vom EKRC.
„Wir wollten den Olympiasieg. Diesem Ziel wurde alles untergeordnet“, blickt Klaus Bittner zurück. Möglich sei das Unternehmen Olympia damals nur gewesen, weil die Ruderer aus Ratzeburg und Kiel in der Landeshauptstadt studierten und gemeinsam trainieren konnten. Aus zwei sehr erfolgreichen Vierern bastelten Adam und Wiepcke den Achter. Die Uni und später die Ruderakademie Ratzeburg waren die Ruderschmieden Deutschlands. Von 1959 bis 1961 hat das Boot in der Besetzung Hans Lenk, Klaus Bittner, Karl-Heinz Hopp, Moritz von Groddeck, Kraft und Frank Schepke, Walter Schröder, Manfred Rulffs und Steuermann Willi Padge kein Rennen verloren. Geschichte hat der Rom-Achter auch geschrieben, weil er die Phalanx der Amerikaner brach, die diese Bootsklasse zuvor 40 Jahre beherrscht hatten.
Das Treffen initiierte Hans Lenk. Der 73-jährige ehemalige Leistungssportler und Professor für Philosophie und Soziologie wird im „Buch der deutschen Olympiasieger“ als „erster Philosoph seit der Antike, der Olympionike ist“ bezeichnet. Von Volker Rebehn
Quelle: Kieler Nachrichten, 3. Juni 2008
Foto: Der „halbe“ Deutschland-Achter, der 1960 in Rom Olympiasieger wurde, gestern vereint auf der Kieler Förde : Frank Schepke, Klaus Bittner, Kraft Schepke und Hans Lenk (von links) sowie EKRC-Steuermann Hans-Rudolf Schröder.