SH Netz Cup – Das bedeutet für mich normalerweise die Zugfahrt am Sonntag nach Rendsburg samt Fahrrad, um die Achter vom Start in Breiholz aus am Kanal entlang zu begleiten und das Rennen aus nächster Nähe zu verfolgen. Etwas anders war es dieses Jahr, denn ich hatte das Glück, die 12,7km selbst rudern zu dürfen und zwar im Stämpfli Express, dem längsten Ruderboot der Welt! Zwölf Plätze des geskullten 24ers waren zur freien Bewerbung ausgeschrieben worden und obwohl ich die Chancen als sehr gering einstufte, wollte ich es wenigstens versucht haben. Dementsprechend überrascht war ich, als ich einige Wochen später die E-Mail öffnete, in der es hieß, dass ich dabei sein würde. Auch eine Freundin von Ruderzentrum der CAU war ausgewählt worden, sodass wir uns am frühen Sonntagmorgen gemeinsam nach Rendsburg aufmachten.
Dort angekommen, fand sich die Gruppe bestehend aus Ruderern aus den verschiedensten Vereinen (Rendsburg, Eckernförde, Hamburg, Flensburg, Berlin, Kassel…) sowie auch den Doppelvierer- Olympiasiegern von 2012 (und 2016) Lauritz Schoof, Tim Grohmann und Philipp Wende nach Check-in auf dem Veranstaltungsgelände schnell zusammen und spekulierte freudig aufgeregt, wie denn wohl alles ablaufen würde. Nach Ausgabe der Einteiler, die New Wave speziell für das Event angefertigt hatte, ging es in Shuttle Bussen nach Breiholz, wo kurz später auch der Bootshänger eintraf, der einige Tage zuvor aus Zürich nach Rendsburg gefahren worden war.
Los ging es mit dem Aufriggern, wobei sich das auf die Ausleger beschränkte, da die sechs einzelnen Bootsteile erst im Wasser Stück für Stück zusammengeschraubt werden. Bugteil ins Wasser, Skulls einlegen, die ersten Ruderer steigen ein und werden durchgeschoben, gleiches Prozedere mit den 4 Zwischenstücken und schließlich dem Heck, was zu dem seltsamen Anblick führt, dass das Boot zwischenzeitlich einfach vor einem endet, während man schon mehr Ruderer als in einem Achter hinter sich sitzen hat. Auf meinem Platz 7 war ich außerdem schon lange außer Stegweite, als das 44m lange Boot endlich komplett zusammengesetzt war und Steuermann Melchior Bürgin, Olympia-Ruderer 1964, 1968 und 1972 sowie ehemaliger Nationaltrainer der Schweizer Ruderer auf seinem ebenfalls ungewöhnlichen Steuersitz Platz nahm.
Die ersten paar hundert Meter müssen von außen ziemlich schrecklich ausgesehen haben, denn es brauchte ein paar Schläge und volle Konzentration aller Ruderer, um zu einem gemeinsamen Schlag zusammenzufinden, der das Boot nicht nach einem unkoordinierten Tausendfüßler aussehen lässt. Nachdem das aber erstaunlich gut geschafft war, ging es mit einer entspannten 24er-Frequenz Richtung Rendsburg und nur ein paar Wellen der vorbeifahrenden Frachtschiffe, die der Stämpfli-Express nicht so gut verträgt und das Boot an seinen gefedertem Zwischenteilen bedenklich zum Ächzen bringt, sorgten für kurze Aufregung. Ansonsten genossen alle einfach, in diesem außergewöhnlichen Boot unterwegs zu sein, freuten sich über klatschende und jubelnde Zuschauer am Kanalufer und versuchten die Anweisungen des Steuermanns auf Schwyzerdütsch zu verstehen (der Hinweis, im Endzug auch den Rücken mitzunehmen, lautet beispielsweise „Rückele“).
Für die letzten zwei Kilometer wurde die Frequenz dann doch noch erhöht, sodass wir nach 50 Minuten tatsächlich sprintend das Ziel unter der Hochbrücke erreichten, auch wenn wir von der Höchstgeschwindigkeit des Stämpfli Express von 25-30 km/h noch gut entfernt waren.
Trotzdem war es ein tolles Gefühl im vollen Kreishafen ins Ziel zu rudern und nach der Wende, die jeweils nur vom Bug- und Heck-Vierer ausgeführt wird, auch die kleine EK-Delegation der U30-Gruppe am Ufer zu entdecken. Am Steg legte dann zuerst das Heck an, sodass sich der gesamte Bugteil zunächst noch gedulden musste, bis die ersten Teile ausgebaut waren und man tatsächlich auch aussteigen konnte. Die staunenden bis ungläubigen Blicke einiger Zuschauer beim Anblick des Bootes waren in der Zwischenzeit allerdings durchaus unterhaltsam. Teil für Teil wurde das Boot also dann wieder zurück zum Hänger getragen und samt dem Berg an Skulls und Auslegern aufgeladen, was bei 25 Paar Händen gar nicht mal so lange dauerte. So waren wir auch noch rechtzeitig fertig, um den Zieleinlauf der internationalen Achter zu sehen, die eine Stunde nach uns aus Breiholz gestartet waren. Mein Fazit: Alles in allem war es ein wirklich einmaliges und ziemlich unvergessliches Erlebnis für mich beim diesjährigen SH Netz Cup und falls der Stämpfli-Express noch einmal nach Norddeutschland kommen sollte, kann ich nur jedem empfehlen, in diesem besonderen Boot mitzurudern!
Melanie Schäfer