Kiel kann Coastal!

6. September 2022 | Von | Kategorie: Aktuell, Regatta

1. Kieler Coastal-Regatta

Unsere WM-Teilnehmer um Felix Eckel haben in den vergangenen Jahren das Coastal-Fieber mit zu uns nach Kiel gebracht. Vereinzelt sind wir mit Felix in den Trainingsbooten über die Förde gerudert, immer auf der Suche nach der ultimativen Welle auf unserer so beschaulichen Förde. Ihre Berichte haben uns neugierig gemacht und nun ist es schließlich so weit: 50 Jahre Olympia in Kiel, Coastal Rudern auf dem Weg nach Olympia – Grund genug für die 1. Coastal-Regatta in Kiel!

Bestes Sommerwetter begrüßt auf dem Regattaplatz am Strand zwischen Kiel Schilksee und Strande die zahlreichen Teilnehmer, angereist aus verschiedenen Norddeutschen Rudervereinen. Die Bandbreite der Ruderer reicht von Schnupperruderen – „ich will das einfach mal ausprobieren“ über „wir haben intensiv mit Felix trainiert“ bis hin zu den Profis vom Hamburger Coastal-Club, angereist mit eigenem Bootsmaterial.

Bestes Sommerwetter, das bedeutet in Kiel häufig strahlende Sonne und frischen Ostwind, der im Laufe des Tages weiter auffrischen soll. Waren die diesjährigen Coastal-Regatten an der Ostseeküste bisher geprägt von „Ententeich-Rudern“, so zeigt sich die Kieler Küste in bester Coastal-Manier: Der stramme Ostwind lässt vielversprechende Wellen an den Strand rollen, beste Voraussetzungen für packende Rennen.

Förde Challange

Am Samstag steht die Langstrecke auf dem Programm: 4000m auf einem Rundkurs vor der Mole des Schilkseer Olympiahafens. Start und Ziel befinden sich am Strand: Ein Ruderer sprintet mit dem Startsignal zum Wasser, besteigt das Boot und das Rennen beginnt. Am Ziel umgekehrt: aus dem Boot hechten, an Land sprinten und den Buzzer betätigen.

Die Wellen fordern das volle Geschick der Ruderer: von den Einern kentern verschiedene draußen auf der Strecke (jetzt weiß man, warum wir in der Schwimmhalle das Wiedereinsteigen in das Boot geübt hat), andere boote legen sich in den letzten Wellen vor dem Strand quer und schlagen um. Auch die größeren Boote haben mitunter Probleme, den Kurs zu halten. Von den Hamburger Coastal-Ruderern lernen wir, dass die Ostseewellen kürzer sind als die der Nordsee, mit denen ihre Boote besser zurechtkommen.

Auf dem Weg durch den Hafen zum Treffpunkt mit einem Motorboot spreche ich mit einem Segler, der gerade mit seiner Jolle aus dem Wasser kommt: „Ich mache Schluss, mir wird das zu viel. Rudern? Ihr seid ja bekloppt!“ Ich erkläre ihm, dass das so gehört und überhaupt, Coastal-Rudern auf dem Weg ist, olympisch zu werden. Sein Interesse ist geweckt und er wird sich später aufmachen zu der Public-Viewing Area, wo man die Rennen bequem in der Sonne sitzend live auf einer Großbildleinwand verfolgen kann.

Draußen sind die Wellen noch heftiger, die Fahrt mit dem Motorboot gleicht einem Rodeo-Ritt. Dabei die Kamera gerade zu halten, wird zur Herausforderung. Hier draußen fühle ich mich ein wenig wie beim „Wale-Watching“: Unvermutet taucht vor uns einer der Kolosse aus dem Wellental auf, das Vorschiff hebt sich in die Luft, um kurz darauf mit einem lauten Platschen wieder, zusammen mit dem restlichen Boot in dem nächsten Wellental zu verschwinden. Die Gesichter, in die ich bei diesen Begegnungen blicke, spiegeln die volle Bandbreite der Gefühle wider: Von blankem Entsetzen, entschlossenem Siegeswillen bis hin zu strahlender Freude. Zurück an Land reichen die Reaktionen dann auch von „bin ich froh, wieder an Land zu sein!“ bis hin zu „Das macht Spaß – mehr davon!“

Im Laufe des Nachmittags nimmt der Wind weiter zu und dreht weiter auf Ost. Die Wellen werden höher und angesichts dramatischer Situationen, insbesondere beim Start am Strand, beschließt die Rennleitung schließlich, die letzten beiden Vierrennen abzusagen mit der Option, diese am nächsten Morgen vor dem planmäßigen Regattaprogramm nachzuholen.

Förde Speed Race

Am Sonntag geht es noch rasanter zu: 250m vom Strand um die ausgelegten Bojen, Wende und anschließend zurück zum Stand. Durch die  kurze Distanz bleibt das Feld enger beisammen und manch ein Rennen wird erst bei dem Sprint am Strand mit einem Hechtsprung zum Buzzer entschieden.

Die rauen Bedingungen fordern Tribut beim Material: fiel am Vortag bereits ein Vierer durch eine Kollision beim Start aus, so muss heute ein weiteres Boot in die Boxen verwiesen werden. So reichen die verbleibenden Boote nicht, um die letzten Rennen wie geplant stattfinden zu lassen. Sie müssen geteilt und in zwei Durchgängen absolviert werden. Glücklicherweise bleibt es bei Bootsblessuren, die Aktiven müssen sich nach den Rennen lediglich trockenlegen.

Mit der Siegerehrung geht ein ereignisreiches Wochenende zu Ende. Dank an Bernd und sein Orga-Team, welches in mühevoller dieses perfekt organisiert und über die Bühne gebracht hat. Ganz besonderer Dank an die Starthelfer, die gefühlt den ganzen Tag im kalten Wasser stehend die Boote bereitgehalten haben, bis die Startläufer ihren Platz eingenommen haben. Zwischendurch nur Zeit, sich im kalten Ostwind ein paar warme Gedanken zu machen.

Kiel kann Coastal! Fortsetzung sehr wahrscheinlich!

Hans-Martin Hörcher

PS: Zum Schluss noch ein paar Fragen an:

  • Die Bugleute, besonders im Vierer: Wie ist es, gefühlt die Hälfte der Zeit in der Luft zu rudern? Etwa wie Luftgitarre spielen? Und leidet die Technik nicht darunter?
  • Die Steuerleute: Warum seid ihr nicht einfach geradeaus gefahren? Wäre kürzer gewesen!
  • Alle Ruderer: Panik oder Pleasure?
  • Die Bootsbauer: Wann kommen gefederte Rollsitze, die diesen Sport deutlich rückenschonender machen würden?

Beantwortet die Fragen einfach durch einen entsprechenden Kommentar zu diesem Bericht, um uns Außenstehenden tiefere Einblicke in eure Erlebnisse und Erfahrungen zu bieten. Zur Belohnung gibt es diese und weitere Bilder, insbesondere auch mehr von den anderen Teams, zum Download.

15 Kommentare zu “Kiel kann Coastal!”

  1. Paula sagt:

    Ein fantastischer Artikel mit beeindruckenden Fotos. Danke für die tolle Dokumentation! Als Bugfrau habe ich mich gefühlt wie in einer Achterbahn im freien Fall. Die Technik leidet furchtbar, der Spaß hingegen nicht. Eine Erfahrung, die ich nie vergessen werde. Würde ich jederzeit wieder machen!

  2. Leslie sagt:

    Ich bin immer noch begeistert von dem Wochenende! Die Fotos machen auch echt Spaß, danke an alle Fotografen und Fotografinnen, insbesondere dich Hans-Martin!
    Geradeaus fahren wird überbewertet, so ein Coastal Erlebnis hat man ja nicht alle Tage, da muss man das schon auskosten. Naja, und wenn sich das Steuer um 360 Grad dreht und verselbstständigt, kann man auch nicht mehr viel tun…
    Rudernd und steuernd würde ich für den Samstag sagen: Panik (beim auf die Steinmole zugepeitscht werden) UND pleasure, am Sonntag eigentlich nur noch pleasure! Und dafür würd ich’s wieder machen!

  3. Ulrike sagt:

    Dieses Wochenende war wirklich ein ganz tolles Erlebnis. Vielen Dank an alle, die das möglich gemacht haben. Die wunderbaren Fotos tragen dazu bei, das Ganze noch einmal Revue passieren zu lassen.
    Ja wirklich – Kiel kann Coastal / Gerne mehr davon

  4. Nina Klose sagt:

    Hans-Martin, die Bilder sind einfach nur phantastisch! Welch grandiose Aufnahmen! Es macht so unglaublich viel Freude, sie sich anzusehen, und zwar immer wieder! DANKESCHÖN! Auch danke für den tollen Bericht!

  5. Dorit sagt:

    Der Steinmole kamen wir wirklich beängstigend näher . Ansonsten war es Freude pur, durch diese Wellen zu rauschen. Danke allen Organisatoren und Helfern!

  6. Andreas sagt:

    Moin Hans-Martin, vielen Dank für Text und beeindruckende Bilder. Wie abgesprochen habe ich den Artikel gern übernommen auf den Seiten bei rudern.de, rish.de und ruderlobby.de.
    Vielen Dank ans EKRC-Team für dieses Coastal Rwoing-Event. Schöne Grüße aus Ratzeburg

  7. Antje Kahl sagt:

    Und wo war noch gleich die Boje? Kaum entdeckt, schon wieder weg.
    Wahnsinnige Wellen, die die Boote, die Rudermannschaften und die tatkräftigen Helfer am Strand gemeistert haben.
    An dieser Stelle nochmal ein herzlicher Dank an „Alle“ und auch an das Regatta TEAM, die diese unvergessliche Veranstaltung ermöglicht haben.
    Erstklassige Bilder und ein toller Bericht fassen das Wochenende hervorragend zusammen.

  8. Liebe Kieler*innen,
    lieben Dank für die tolle Regatta. Nach meiner ersten Coastal Regatta frage ich mich, was da noch besser werden soll: akzeptable Wassertemperaturen, Wellen die richtig Spaß gemacht haben, supernette Gegnerinnen, tolle Orga und Sonne.
    Danke

  9. Brigitte sagt:

    Wow, sooo fantastische Fotos!

  10. Pau sagt:

    Herzliche Grüße aus Dänemark. Habe Bericht und Bilder mit Begeisterung gelesen und betrachtet. Einfach faszinierend. Große Hochachtung vor Sportlern, Organisatoren und Fotografen.
    Super!!!

  11. Höppi sagt:

    Tolle Bilder, tolles Event! Macht richtig Spaß beim durchgucken der Fotos!

  12. Gesine sagt:

    Vielen Dank noch einmal für die tollen Bilder.
    Beim Anschauen erlebt man das Gefühl, im Boot zu sitzen, noch einmal. So etwas habe ich noch nie erlebt und wenn ich mir vorher beim Training noch Gedanken darüber gemacht habe bloß rechtzeitig aufzudrehen und gut zu setzen, waren Gedanken an die Technik am Samstag direkt als allererstes verschwunden. Eine gute Technik war sehr viel schwieriger als gedacht, aber der Spaß dafür umso größer. Ein bisschen hat es sich angefühlt wie Achterbahn fahren, gerade wenn das Boot vom Wellenkamm ins -Tal fiel.
    Trotz der vielen Boots- und Materialschäden hat es sehr viel Spaß gemacht und ich würde es jederzeit wieder machen. Gerne im nächsten Jahr wieder!

  13. Malte Hein sagt:

    Kiel kann Coastal! Das trifft es ziemlich genau. Die Bedingungen haben gestimmt und das Orga-Team hat sich mächtig ins Zeug gelegt. Das hat man im, auf und neben dem Wasser gemerkt. VIELEN DANK!
    Es braucht definitiv etwas Überwindung in diese Wellen rein zu rudern, aber mit der Zeit lernt man die Wellen zu nehmen, wie sie kommen und dann überwiegt die Freude. Gefederte Rollsitze gebe ich als Überlegung gerne einmal weiter ;)

  14. Johannes Berg sagt:

    Liebe Alle,

    ich verwende – natürlich nicht kommerziell – das Foto mit dem Vierer in der Luft (jetzt auch Titelbild er Clubnachrichten 3/22) als Bildschirmschoner und Teams-Hintergrundbild. Der Hingucker und Neugierigmacher! „Was – ich dachte, so etwas gibt es nur in Australien usw. usw. “ Sorry, aber ein bißchen Werbung muß dann doch sein: Hey, nur 5 Stunden mit dem ICE von hier…

    @ Hans-Martin Hörcher/Vorstand: Laßt uns daraus doch was draus machen. Zusammen mit den Orinoco (äh Eider-) Bildern der Herbstwanderfahrt sind das Imagepolierer, die auf die neu zu gestaltende Homepage gehören.

    Viele Grüße aus dem Ruderexil Ffm

    J.Berg

  15. Ava sagt:

    Frage beantwortet aus Steuerfrauen Sicht:
    Ich wäre liebend gerne geradeaus gefahren, mein Steuer hing nur ein Großteil einfach in der Luft oder die seitlichen Wellen haben jede Steuerwirkung quasi rückgängig gemacht :(

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