Head of Charles Boston 2022

16. November 2022 | Von | Kategorie: Aktuell, Regatta

Schon Ende letzten Jahres kam das Thema „Boston“ 2022 in unserer Hamburger Runde auf den Tisch. „Boston“ bedeutet das Head of Charles River oder nur kurz HOCR. Einige wollten unbedingt das Ereignis Boston wieder einmal, andere als Premiere erleben und mitmachen. Also starteten die weiterführenden Überlegungen. Wer will, wer kann, wer kann nicht usw. Die Frage nach den Kosten stellte sich nie, da der Magnet der größten Regatta der Welt diese Frage außer Acht ließ.

Waren es am Anfang 3 Ruderer, kamen wir schnell auf 6, die letzten zwei zu finden gestaltete sich schwieriger. Jeder von uns hat viele Kontakte in die Ruderszene und so hat sich die Mannschaft wie folgt gefunden: 

Gaby SchulzErster Kieler RC
Achim EckertHansa Hamburg
Otto KiehlFavorite Hamburg
„Welle“ Reinhard GraueDer Hamburger und Germania
Dierk FahrenkrogFavorite Hamburg
„Elli“ Reinhard EllinghausTegel Berlin
Wojtech SiejkowskiFa Favorite Hamburg
„Grommeck“ Harald SchulzErster Kieler RC
Stm: „Chimpy“ Jörk SchüsslerErster Kieler RC

Ein gemeinsames Training in der Originalbesetzung haben wir am letzten Donnertag vor der Abreise auf der Alster hinbekommen. Mehr oder weniger 8 Ruderstile mit 30-50 Jahren persönlicher „Einübezeit“ waren kaum in ein einheitliches Bild zu bekommen, aber das Boot führ und stand auch am Ende.

In der Vorbereitung außerhalb des Bootes hatte Grommecks und Chimpys alter Ruderkamerad Reinhold Hesse (seit über 30 Jahren wohnhaft in/bei Boston) keine Mühen gescheut und alle Notwendigkeiten und Wünsche abgearbeitet. „Holdi“ freut sich immer sehr, wenn alte Bekannte in Boston antreten.

Seine Hilfe war auch notwendig, um die „bunte“ Mannschaft unter den Hut des Hamburger und Germania Clubs zu bekommen, waren doch nur Clubmannschaften (offiziell) zugelassen. Grommeck entwickelte sich dabei zum Experten für das Ruderportal Regatta Central und bekam es dann doch irgendwie hin alle Ruderer im „Rooster“ Der Hamburger, Germany unterzubringen. Dies war nicht einfach, da einige Ruderer noch gar auf diesem Portal gelistet waren, andere unter einem anderen Verein und Dritte wiederrum mit doppelter Identität. 

Aber irgendwann hatte dann nicht nur die Mannschaft, sondern auch jeder Ruderer einen grünen Haken. Letzter Bedingung hierfür waren die für USA auch sonst wichtigen „waiver“ oder Verzichtserklärungen, ohne die man nicht starten dürfte und die von jedem abzugeben waren. Insgesamt 9 Erklärungen musste man abgeben inklusive der vielsagenden (aber von Keinem gelesenen) „Florida Waivers“. So unerbittlich Amis bei den Waivern sind, so locker waren sie bei der Tatsache, dass Gaby in einem Männerboot mitfuhr. Unser diskreter Hinweis bei der Abholung der Startnummer darauf wurde nur mit einem lockeren „yes noted“ kommentiert.

Kurz vor dem Abflug kam unser Stm Chimpy von einer Geschäftsreise nach Dubai mit Corona zurück und musste absagen. Da war Holdi wieder gefragt, einen Steuer-Ersatz zu finden. Über seinen Bekannten Tom Bohrer – Head Coach beim Boston University Boat Club – wurde schnell Ersatz gefunden. Die 17-jährige College Studentin Ella Leo sollte uns im Training und in Rennen durch den anspruchsvollen, kurvenreichen Charles-River bringen, denn wie sagt Chimpy immer: Das Head of Charles is a cox race!“

Bei den Problemen mit dem Gepäck auf den Flughäfen in diesem Jahr war es klar, dass wir ohne Achter anreisten. Unseren Achter vor Ort besorgte Holdi vom Boston University Boat Club, der direkt am Start des Head liegt. $800 Bootsmiete hört sich teuer an, aber bei HOCR soll man weder am Steuermann noch am Boot sparen. 

Für Grommeck war das Boston University Boathouse ein Wiedersehen, war er doch bereits 1980 mit der DRV-Nationalmannschaft beim HOCR, damals noch eine kleine Regatta mit Rennen nur am Samstag. Das „De Wolfe Boathouse“ der Boston University – genannt nach seinem Spender – wurde in der Zwischenzeit komplett neu aufgebaut und ist sehr imposant wie auch die anderen Bootshäuser am Charles River und deren Bootsbestände größer sind als die mancher Leistungszentren in Deutschland.

Da unsere avisierte Steuerfrau für das erste Training kurzfristig noch einen Kurs im College hatte, musste Tom Bohrer wiederum Ersatz suchen. Ersatz war etwas untertrieben, denn als Steuermann stand uns „Jack the Cox“ zur Seite. Er war zufällig der siegreiche Steuermann des Oxford Achters gegen Cambridge in diesem Jahr. Allein für dieses Erlebnis hätte sich unserer Reise schon gelohnt. 

Nach einem weiteren Training mit unserer Rennsteuerfrau am Freitag wurde es am Samstag dann Ernst. Während wir recht früh die Boston University Bridge überquerten, wurde bereits die ersten Rennen gestartet. Mit 2.400 Booten und 11.300 Ruderern aus 24 Nationen ist das Head of Charles (HOCR) die größte Regatta der Welt und kann nur durch eine straffe Organisation auf dem Wasser und auf Land funktionieren. Dazu tragen auch die über 1.500 freiwilligen Helfer bei, die alle – nach US-Sitte – namentlich im Regattaprogramm genannt und damit geehrt wurden.

Wir starteten im Mens Grand Master Eight (60+) in der Mitte eines 29 Boote starken Feldes mit interessanten oder exotischen Mannschaften wie Palm Beach RC, Navy Masters oder Aging Aggies, Bull Dog und Fat Cat RC. Neben uns gab es nur noch ausländische Mannschaften vom Thamse RC, London und vom Upper Yarra BC in Melbourne.

Gestartet wurde im 20 Sekunden Takt und nach dem offiziellen „You are in the race!“ ging es mit einer Schlagzahl über 30 auf die 3 Meilen lange Strecke, denn wie sagte Gaby als Boston Veteran so schön: „Die erste Hälfte, da muss man Gas geben, nachher wird das wegen der Brücken und Kurven immer schwieriger und außerdem geht das dann alles von allein!“

Trotzdem überholte uns kurz nach der ersten von 5 Brücken, der River St. Bridge das Boot des Tyran BC, die später den 5. Platz machten. Der vor uns gestartete Upper Yarra aus „Down-Under“ zog so schnell davon, dass unserer Steuerfrau sie bald im Gewimmel der vor uns fahrenden Boote aus den Augen verlor. Apropos Ella, unsere Steuerfrau: Sie fuhr geschickt durch die engen Kurven, ließ sich ob ihres jungen Alters überhaupt nichtbeeindrucken – „Grommeck don´t worry, I drive here like my father i Napoli!“ – und fuhr – auch unterstützt durch die vorher verabredeten und eingeübten „Starboardpower!“ Kursunterstützungen – eine Ideallinie, so wie auch Chimpy es gemacht hätte. 

Man kann es gar nicht beschreiben, wie es einem als Ruderer motiviert, wenn man sieht, wie man haarscharf am Brückenpfeiler vorbei die Idealline fährt, während die nachfolgenden Boote aus dem Kurs „eiern“.

Nach dem berühmten und immer schön anzusehenden Charles River Boat House ging es durch die Elliot Bridge mit ihrer sehr berüchtigten Kurve, in der schon manche Mannschaften strauchelten. Danach dann nur Augen zu und Endspurt. Erschöpft und eigentlich zufrieden trieben wie am wunderschönen Henderson Boathouse der Northwestern University vorbei (auch mal „eben so“ gespendet) zum Wendepunkt. Danach mühevoll und im Entenmarsch mit anderen zurückkehrenden und zum Start fahrenden Mannschaften zu unserem Boathouse zurück. Eine Zeitlang ruderten wir nur mit halber Mannschaft, denn es durfte wegen der Enge des Flusses nicht überholt werden –

Trotz der wundervollen Stimmung dort wollte diese nicht so richtig auf uns überschlagen, denn das finale Ergebnis war doch ernüchternd. 27ter von 29 gestarteten Booten. Aber immerhin mit 19:03 min schneller als der Thames RC und somit „zweitschnellstes“ ausländische Mannschaft. Das Rennen gewann der Upper Yarra RC mit 15:56 min, eine Mannschaft mit Gold und Silbermedaillengewinnern von Olympischen Spielen wie sich später herausstellte. 

Vielleicht lag unsere getrübte Stimmung aber auch daran, dass eine von uns geschätzte Einrichtung ist in diesen Clubhäusern nicht anzutreffen: die Gastronomie! So machten wir uns dann – wieder einmal von Holdi ortskundig unterstützt – auf die Suche und wurden am zentralen Harvard Square fündig. Nach dem ersten gemeinsamen IPA, Tuna Roll oder Crab-Cake lockerte sich die Stimmung dann doch auf, zumal das Wetter es uns in dem Rennen und danach gut meinte. Unser Fazit: Ja das war gut, das hat sich gelohnt … und wie lautet das Motto unserer aus 8 Ruderstile mit 30-50 Jahren persönlicher „Einübezeit“ bestehenden Truppe. Hauptsache ein Achter und was zuhause gilt, gilt erst recht in Boston.

Harald Schulz 

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