Eine Tour durch 1000 Seen, Flüsse und Kanäle am Rande einer Millionenstadt
Am frühen Morgen des Pfingstmontag trafen sich die ersten noch etwas müden Teilnehmer der diesjährigen Wanderfahrt in den Südosten des Berliner Raums, nachdem sie von Michael Böhmer (ein riesiges Danke für eine rundum perfekte Organisation und tolles Kartenmaterial!) mit dem Club-Bus aufgepickt wurden, auf dem Platz vor der Bootshalle des EKRC. Die drei Boote (Kiellinie, Hans Tolk und Flotter Dreier) waren bereits zwei Tage vorher abgeriggert und gemeinsam aufgeladen worden. Leider musste Frank Engler verletzungsbedingt (an dieser Stelle gute Besserung!) seine Teilnahme an der Wanderfahrt kurzfristig absagen.
Insgesamt 14 Ruderinnen und Ruderer plus Roswitha als gute Seele an Land trafen sich gut sechs Stunden später am Steg des Ruderclubs in Königs Wusterhausen. Friedemann Berg hatte als Neu-Berliner ein Heimspiel mit dem kürzesten Anreiseweg. Insgesamt sieben Frauen und acht Männer mit einem Altersunterschied von bis zu fünf Dekaden fanden sich zu einer einwöchigen harmonischen Reise durch Paradiese am Rande einer pulsierenden europäischen Metropole zusammen.
Nachdem die Autos auf dem Gelände des Ruderclubs geparkt hatten, ertönten die ersten Kommandos. „Keine langen Pausen, rein in die Ruderklamotten, Boote ins Wasser“ und nach professioneller Verpackung des Bordproviants ging es los auf den ersten Abschnitt über 18 km gleich mit Schleusung über den Krüpelsee, in die Dahme (O-Ton Pau: „Jetzt fahren wir langsam in die Da(h)me ein“), den Dolgensee nach Prieros. Viele Motorboote kreuzten unseren Weg. An Land wurden zur Vorbeugung des muskulärer Verspannung und „terminaler Gebrechlichkeit“ vorschriftsmäßige, sich täglich wiederholende Lockerungsübungen unter Aufsicht von Margret und Dagmar vollführt. Von Prieros erfolgte der Landtransport der Mannschaft mit dem Club-Bus und einem zusätzlichen Pkw (an dieser Stelle auch vielen Dank an Christina für täglichen Mannschaftstransport von und zur Basis in Königs Wusterhausen).
Der Freiwillige für die Berichtverfassung der Wanderfahrt wurde beim ersten gemeinsamen Abendessen beim Griechen unter Zuhilfenahme eines weiteren Ouzo schnell identifiziert („Das machen immer die Neuen“). So wurde man schneller als gedacht zum Autoren auserkoren.
Der Folgetag führte von Prieros über insgesamt acht Seen der Teupitzer Gewässer zurück an den Ausgangspunkt der Tagesetappe. Die Steuerleute hatten anspruchsvolle Arbeit zu verrichten, um auch den gerade Schwimmen lernenden Jungtieren in den Gewässern den ihnen gebührenden Schutz einzuräumen.
Trotz des Wanderfahrtcharakters kamen auch Rudertechnik mit Schlagaufbau, Krafteinsatz, präzisen Ruderbefehlen („gerade aus! Noch mehr gerade aus!“) und Umsichtigkeit bei doch zwischenzeitlich nicht ungefährlichen zu passierenden Wegstrecken zum Einsatz. In den Schleusen trafen wir auf gut gelaunte ältere Herren, die mit einem Kirchboot, 14 Ruderern, einem Steuermann und reichlich flüssigem Proviant ihre persönliche Wanderfahrt gestalteten und genossen. Abends gab es u. a. italienische Küche mit reichlich Hopfenblütentee gegen den über Tag angesammelten Flüssigkeitsmangel.
Ein besonderes Highlight der Wanderfahrt war der vierte Tag, der uns vom Ruderclub Fürstenwalde über die Fürstenwalder Spree zu den Ruderfreunden nach Erkner brachte. Es ging über viele Kilometer durch die gewundene Müggelspree mit leichter Strömung vorbei an allen Varianten von Fauna und Flora mit lauten Rohrdommeln in herrlichstem Sonnenschein. Auf die zunehmend im Boot gestellte Frage, wie weit es noch sei, war die immer gleich lautende Antwort „eine Friedemann-Einheit“, was generell 11 km entspricht. Der Anfeuerung des Namensgebers der Entfernungseinheit, nach 37 km noch eine 50er-Pyramide zu starten, folgte um ein Haar die offene Meuterei im Boot. Am Ende des Tages und Erklimmen der Umtragestelle mit den Booten im Schlepptau unter Zuhilfenahme einer Lore merkte jeder die 40 gefahrenen Kilometer, als sich vor einem nach harter Kurve über Steuerbord der Dämeritzsee auftat.
Die Boote blieben über Nacht in Erkner liegen. Am Folgetag ging es in nordöstlicher Richtung über den Flakensee bis zum Ende des Stienitzsees. Dort Rastplatz begleitet vom Hacken und Klopfen der Spechte sowie vielen Kuckuck-Rufen auf der Fahrt dorthin. Auf dem Rückweg tauchten wir in ein besonderes Paradies ein, indem wir einen kleinen Flusslauf zum Kiessee nahmen, vorbei an umgestürzten und von Bibern angenagten Bäumen sowie einer sehr engen Brücke, die nur mit reichlich Fahrt und einem „Ruder lang“ passiert werden konnte. Dahinter tat sich ein See in absoluter Stille wie aus einer anderen Welt auf. Zusätzlich begleiteten uns vom Ufer aus Gartenzwerge, nach amtlicher und von Friedemann abgesegneter Zählung 24 Stück, unter Zunahme sonstiger mehr oder weniger scheußlicher Gartenfiguren standen am Ende insgesamt sogar 48 Exemplare zu Buche.
Der letzte Tag, der einzig verregnete auf der ganzen Tour, während bei für uns insgesamt schönem Wetter im Rest der Republik „Land unter“ war führte zurück nach Königs Wusterhausen. Durchnässt, kaputt, müde, etwas kühl, aber glücklich und um insgesamt 185 Ruderkilometer reicher wartete auf die Mannschaften im Festsaal des Ruderclubs ein bollernder Kaminofen mit wärmendem Feuer sowie Häppchen und Getränke. Die Boote wurden vorher noch vor Ort verladen; die ursprünglich für den Sonntag geplante letzte Etappe wurde aufgrund des schlechter werdenden Wetters mit zunehmendem Wind und Regen gestrichen.
Der letzte Abend stand bei hervorragender italienischer Küche im Rampenlicht des deutschen Champions League Finales zwischen dem BVB und FC Bayern. Während für einige Fußball statt Rudern die schönste Nebensache der Welt wurde, ließen andere den Abend in einer Weinstube oder mit einem Spaziergang ausklingen und jeder zog auf seine Art Bilanz einer faszinierenden Woche in paradiesischen Landschaften nur wenige Kilometer von einer der großen Metropolen Europas entfernt.
Nach einem letzten gemeinsamen Frühstück im sehr zu empfehlenden Hotel Brandenburg traten die drei Autos den Rückweg nach Kiel an. Mensch und Material erreichten den EKRC nach sicherer Fahrt. Die Boote wurden gesäubert und in die Halle gepackt, bevor sich das toll harmonierende und gut zusammengewachsene Team dann doch trennen musste.
Aus medizinischer Sicht wäre ein Arztbericht über die Wanderfahrt in Kurzform wie folgt zu verfassen:
Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen,
wir berichten über die unten abgebildeten 14 Mitglieder des EKRC, die sich vom 20. bis 26.05.2013 in teilstationärer Behandlung im Berliner Umland befanden.
Diagnose: komplexe Wanderfahrt ohne erschwerende Komplikationen
Die Anamnese dürfen wir aus dem o. g. Bericht als bekannt voraussetzen
Untersuchungsbefund: Deutlich euphorische und körperlich ertüchtigte Ruderinnen und Ruderer in gutem Allgemein- und Ernährungszustand ohne Hinweise auf Gebrechlichkeit oder Dysphorie.
Bildgebung: s. beiliegende in den Text eingestreute Fotografien.
Procedere: langsames Ausrudern, Fortsetzung der Trainingseinheiten und Wiedervorstellung in 2 Jahren.
Wir danken für die Zuweisung und verbleiben mit freundlichen Grüßen …
Am Ende hielten sich Wehmut darüber, dass eine wunderschöne Woche so schnell vorbei gegangen ist mit der Vorfreude auf heimisches Salzwasserrudern bereits am nächsten Tag, das In-Erinnerung-Schwelgen beim Anblick der vielen Fotos und der Gewissheit, dass es in zwei Jahren die nächste große Wanderfahrt gibt, die Waage. Für den Neuen und alle alten Hasen war es eine tolle Tour.
Die Teilnehmer: Michael und Roswitha Böhmer, Jens Paustian, Heinz Kröncke, Helga Puschendorff, Sabine Gödtel, Christina Dunsing, Friedemann Berg, Alexander Claviez, Dagmar Krebs, Margret Schultz-Heitmann, Cristina Freitag, Armin Falk, Hanno Vollert, Bernd Rabe
Das Revier: Dahme und Seen, Teupitzer Gewässer, Storkower Gewässer, Oder-Spree Kanal, Müggelspree, Dämeritz-See, Rüdersdorfer Gewässer, Löcknitz-Gewässer, Klein Venedig
Ruderclubs: Königs Wusterhausen, Storkow, Fürstenwalde, Erkner
Alexander Claviez
Welch großartiger Bericht unseres hoffnungsvollen und so vielseitigen Rudertalents! Alexander überzeugt und begeistert die Leser nun auch noch durch seine herausragenden schriftstellerischen Ausführungen! Die Wanderfahrt erscheint detailliert vor unserem inneren Auge, und man bedauert, nicht dabei gewesen zu sein. Danke für den herrlichen Beitrag!