Tag 9
05.11.2019
Auf dem Pfad der Weisheit
Der letzte Tag in Hongkong! Lasst uns noch einen Ausflug machen, ein bisschen umherlaufen, bevor wir später am Tag für über 12 wieder auf einen mäßig bequemen Economy-Sitz gezwängt werden.
Bevor wir uns jedoch wieder in die geschäftige Stadt stürzen können, müssen erst die Koffer gepackt werden. Wie immer – auf der Rückreise passt das alles nicht mehr so schön sortiert hinein, unsere Hotelzimmer verschwimmen zeitweise in einem Chaos aus Klamotten, Rennkleidung (die jetzt aber wirklich ganz dringend in die Waschmaschine muss) und haufenweise Kleinkram. Koffer auf, alles rein und mit Gewalt schließen. Passt irgendwie. Also: Auf ein letztes Mal in die tiefen Häuserschluchten, vorbei an einem unübersichtlichen Netzwerk aus Straßen, Zubringern und Schnellstraßen. Noch einmal ein paar Ampeln unbeschadet überstehen. Oder gar die Kreuzungen ohne eine Ampel. An die Sache mit dem Rechtsverkehr erinnern wir uns mittlerweile manchmal. Zumindest an den Kreuzungen, an denen wir beinahe überfahren worden wären. Was Verkehrsrichtung auf den Bürgersteigen, in den Tunneln zur U-Bahn oder in Einkaufszentren hingegen betrifft: Wir haben es nie herausgefunden. Wir sind eher fest davon überzeugt, dass es überhautpt niemand weiß und die Millionen von Menschen auf die Schwarmintelligenz zählen um nicht mit dem entgegenkommenden Strom an Pendlern zur Rush Hour zusammen zu stoßen.
Wir fahren heute zum Abschluss an einen Ort an dem so gut wir gar keine Pendler unterwegs sind. Lantau Island ist die zweitgrößte Insel Hongkongs. In ihren Bergen versteckt sich das Dorf Ngong Ping mit dem buddhistischen Po Lin Kloster. An dieser Stelle steht auch eine riesige bronzene Buddha-Statue. Auf einem Bergrücken errichtet, gibt die Silhouette der Landschaft aus der Ferne einen mysteriösen Charakter.
Allerdings ist eben diese Statue auch ein Grund für die übermäßige Frequentierung durch Touristen. Der andere ist die Gondelbahn die ebenjene Touristen (und natürlich auch uns) in knapp einer halben Stunde über ein paar Bergrücken und über große Täler direkt in das Dorf bringt, das dem Fremdenverkehr entsprechend angepasst wurde. So dudelt uns aus einer überzogen asiatisch gestalteten Häuserfront (mit diversen klassisch chinesischen Läden wie Starbucks oder Subway…) kitischige traditionell chinesische Musik entgegen. Also schnell ein paar Stufen rauf zum Buddha, sich unter diversen Smartphonekameras im Selfie-Modus vorbeiduckend einmal herum laufen und dann die paar Stufen wieder herunter. Viel zu viele Menschen.
Aber wir wissen, wie wir sie zu umgehen haben. Wir biegen auf einen Wanderweg ein und folgen ihm in das Dickicht. Der Weg wird als „Pfad der Weisheit“ ausgeschildert. Ob wir die heute noch erlangen? Auf jedem Fall erlangen wir endlich Ruhe. Mit der Zeit kommen uns nämlich immer weniger Menschen entgegen. Am Anfang noch betoniert, wird er irgendwann zu einem echten Wanderweg. Mit Wurzeln und Steinen. Mit Steigungen und und kleinen Brücken. Hier sind wir alleine. Umrahmt von den bis zu 930 m hohen Bergen der Insel.
Es ist wieder sehr warm, wir freuen uns über jedes Bisschen Schatten das uns die umstehenden Bäume spenden können. In der Ferne ragt die Buddha Statue über dem Tal auf. Von hier aus sieht sie viel schöner aus. Einige rote geschwungene Dächer des Klosters erheben sich aus dem grünen Wald und von den Menschenmassen ist nicht mehr viel zu sehen. Schade, dass wir uns schon wieder auf den Rückweg begeben müssen. Das Netz aus Wanderwegen alleine auf dieser Insel ist gigantisch. Der Lantau Peak ist mit seinen 934 m schon verlockend und wäre definitv einen Abstecher wert. Allerdings sieht das nur der Steuermann so. Der Rest ist nicht so unfassbar begeistert. Aber der Steuermann ist ja auch keine 6 km im Finale gerudert…
Als uns die Gondelbahn gemächlich wieder auf Meereshöhe zurück schaukelt, können wir die Sonne beobachten die hinter den grünen Bergen von Lantau Island verschwindet. Der erstrahlt in einem wunderschönen Farbübergang von Gelb über Orange bis Violett. Als wir mit der U-Bahn in den Tunnel fahren, wird das unser letztes Sonnenlicht für eine lange Zeit werden. Da die Sonne hier viel steiler hinter dem Horizont verschwindet als bei uns im „Hohen Norden“, ist der Sonnenuntergang entsprechend kurz. So betreten wir wieder das nächtliche Hongkong, als wir in Central an die Oberfläche kommen.
Wir finden uns im Einkaufszentrum des International Finance Centres wieder. Eine dieser gigantischen Malls von denen es hier nur so wimmelt und in denen man viel zu viel Geld lassen kann. Das Highlight dieser Mall ist allerdings der Dachgarten, der öffentlich betretbar ist. Von hier können wir nochmal diesen atemberaubenden Blick über den Hafen und das Lichtgewitter, das von den vielen Werbetafeln ausgeht, genießen, bevor wir unseren Rückflug antreten.