An der Rampe lassen wir das Boot wieder zu Wasser. In letzter Sekunde müssen wir noch einen Skull austauschen, weil uns irgendwie der falsche zugeteilt wurde. Der neue ist natürlich noch nicht eingestellt. Wir werden ein paar Minuten aufgehalten, aber sind dennoch früh genug auf dem Wasser um unser Warmfahrprogramm vollständig zu absolvieren. Die Anspannung ist auf den ersten Schlägen im Kreisel merklich. Der Schlag ist sehr verkrampft. Erst mit dem dritten und vierten Frequenzzehner, bei dem wir Druck und Schlagzahl aus dem Trainingsschlag auf die Rennsituation steigern, kommt der bekannt Rythmus wieder ins Boot. 9 Minuten vor der Startzeit legen wir uns weit hinter das Starterboot, hinter alle anderen Boote. Jetzt beginnen die gleichen Taktispielereien wie im gestrigen Vorlauf. Wo ist Platz? Wie weit ist die Startlinie weg?
Zwei Minuten vor dem Start finden wir eine Lücke, die gerade groß genug ist. Für 16 Boote ist die Startlinie sehr eng. Wir wollen auf gar keinen Fall aus zweiter Reihe starten. Wir schwimmen stattdessen neben Hongkong 1 auf unserer Steuerbordseite und Italien 1 auf unserer Backbordseite ein. Das war wahrscheinlich gar nicht verkehrt. Von den Italienern wissen wir, dass sie sehr schnell sind und sich vermutlich zuügig an die Spitze setzen werden. Das würde uns Platz auf unserer Backbordseite geben.
Und dann kommt das Startsignal. Wasser spritz auf allen Seiten auf, als 128 Blätter im gleichen Moment versuchen die 16 Boote zu beschleunigen, 16 Steuerleute fangen gleichzeitig an, ihre Mannschaft in den Startschlägen zu begleiten. Die Startsequenz koordinieren. Erst ein paar kurze Schläge, dann die Länge der vollen Rollbahn aufbauen und weiter anschieben. Es sind teilweise nur wenige Zentimeter bis zu den Blättern der anderen Boote. Von außen muss das alles sehr chaotisch wirken. Direkt nach dem Start bilden sich schnell zwei Gruppen, nur durch wenig Wasser getrennt. Wir liegen direkt dazwischen an Position 8 oder 9. Direkt neben uns Großbritannien 1 und 2, auf der anderen Seite Hongkong 1. Vor uns Griechenland und die Favoritengruppe aus den beiden italienischen Booten, Monaco, Spanien. Alle Boote sind sehr eng zusammen. Die erste Boje passieren wir noch auf Platz 8. Dann können wir an Griechenland vorbeiziehen. Das läuft schon mal deutlich besser als im Vorlauf, wo wir ihnen den Vortritt lassen mussten. Auch Großbritannien 2 und Hongkong 1 können wir abschütteln. Wir fahren auf Position 5 vor. Nur Großbritannien 1 liegt uns wortwörtlich direkt im Heck. Das soll ab hier einige Zeit so bleiben. Wir fahren durch den Zickzackkurs und können die Bojen eng nehmen, da wir vorne liegen. Immer wieder berühren sich unser Heck und der britische Bug.
Im A-Finale müssen wir die Runde in der Bucht vor den Central Piers gleich zweimal fahren. An der Wendemarke 6, an der wir in die zweite Runde einbiegen, fährt Hongkong den Briten ins Heck und beide Boote werden weit vom Kurs abgetrieben. Zum ersten Mal haben wir wirklich Luft gewonnen. Dadurch fehlt allerding auch ein bisschen die Motivation des direkten Duells. Nach vorne ist jetzt schon mehr Wasser. 4 Favoriten fahren die Medaillenplätze unter sich aus. Italien 1 und 2, Monaco und Spanien. Der Abstand von uns auf die Spitze ist zu diesem Zeitpunkt jedoch deutlich geringer als im gleichen Rennen in Vorjahr. Insgesamt ist das Feld immer noch relativ eng.
Nach der zweiten Durchfahrt des Zickzacks müssen wir ansehen, wie Großbritannien 1 die Lücke wieder geschlossen hat und mit einem kraftvollen Spurt in nur 20 Schlägen an uns vorbei zieht. Das verdient unseren absoluten Respekt, wir sind nicht in der Lage diese Aktion zu kontern. Die letzte Boje umfahren wir damit wieder als sechstes Boot. Von hier aus sind es nur noch 1,2 km. Das Wasser ist schwierig. Direkt neben uns werden die Wellen von einer Spundwand reflekiert. Die begleitenden Motorboote die etwa 250 m vor uns an der Spitze mitfahren ziehen lange Wellen. Die können wir zwischendurch gut reiten, doch im anschließenden Wellental müssen wir enorm viel Kraft investieren, um die Geschwindigkeit aufrecht zu erhalten. Jetzt ist die Strecke frei, 500 m. Augen zu und durch. Von hinten droht keine Gefahr mehr. Wir passieren das Ziel mit einem sicheren sechsten Platz in 24 Minuten. Unsere beste Zeit bei den bisher schwierigsten Bedingungen.