Vor dem Gipfel liegt ein steiniger Weg mit vielen Abgründen…

8. November 2024 | Von | Kategorie: Aktuell, Regatta

Die Freude über das Geschaffte ist riesengroß und der Stolz auf die Bewältigung aller Hindernisse berechtigt. Wir haben die vermutlich erfolgreichste Saison der Clubgeschichte hinter uns und die Leistungssportler sind bereits in das Training für die Deutsche Meisterschaft 2025 und den Kampf um die wenigen Plätze in der Nationalmannschaft gestartet.
Ich möchte hier die Gelegenheit nutzen den üblichen Weg unserer Leistungssportlerinnen und Leistungssportler zu skizzieren und dafür zu sensibilisieren, wie groß die Hindernisse auf diesem Weg sind. Am besten kann man dies verdeutlichen, wenn man die unmittelbaren Notwendigkeiten für dieses Saisonziel betrachtet:


1. Das Saisonziel Teil der Nationalmannschaft zu werden
Die Nominierung für die Nationalmannschaft kennt grundsätzlich zwei verschiedene Wege. Der sicherste Weg ist, im Einer oder Zweier ohne Steuerperson die Goldmedaille zu holen. Dieser Platz führt, wenn alle weiteren Nominierungsvoraussetzungen (Teilnahme an diversen Testmaßnahmen des Deutschen Ruderverbandes) erfüllt wurden, zu direkten Qualifikation für die WM. Die Alternative führt über die beiden Ranglisten in den Kreis der besten 8 Boote. Diese Ranglisten finden im April und Anfang Juni statt. Nach dem Ergebnis der Ranglisten im Einer oder Zweier ohne Steuerperson werden die Auswahlboote besetzt. Holt ein solches Auswahlboot Gold, können sich die einzelnen Ruderer berechtigt Hoffnungen auf eine Nominierung machen. Die Chancen steigen, wenn die Sportler im Winter auf einer der vorgeschriebenen Überprüfungen die gesetzte Ergometer-Norm unterboten haben. Auf diese Weise werden beim Skullen die Doppelvierer besetzt. Im Riemen sind dies die der Vierer mit Steuerperson (wenn die Bootsklasse vom DRV zur WM gemeldet wird) und der Achter.


2.Das Saisonziel eine Medaille auf den Deutschen Meisterschaften einzufahren
Eine Medaille im Einer oder Zweier ohne Steuerperson zu erreichen ist aufgrund der Ranglisten und der damit verbundenen Vorgaben zum Start fast unmöglich. Demnach bleiben die Mittelboote und Großboote als aussichtsreiche Möglichkeit eine der begehrten Medaillen zu holen. Stellt ein Verein nicht eine komplette, eigene Mannschaft für ein Boot zur Deutschen Meisterschaft, muss eine aussichtsreiche Renngemeinschaft gebildet werden. Attraktiv ist aus Trainersicht immer ein Boot mit den unmittelbaren Konkurrenten der Ranglisten, da man sich damit im Ranking absichert oder weiter nach vorne arbeitet. Getreu dem Motto: „Ein Gegner im eigenen Boot ist kein Gegner mehr“. Entsprechend verfährt der DRV auch, indem die Bundestrainer oder die vier Regionalgruppentrainer eine entsprechende Empfehlung aussprechen. Dies erfolgt in der Regel bis Platz 18 der beiden Ranglisten.

Da es sich bei dieser Zusammensetzung in der Regel nicht um die Besten der Rangliste handelt, die berechtigte Ambitionen auf einen WM-Platz haben, muss man davon ausgehen, dass die Konkurrenz individuell immer stärker ist als die eigene Besetzung. Eine realistische Chance ergibt sich also nur über eine gute Passfähigkeit der Ruderer und viele Kilometer in der Mannschaftsbootbesetzung über die Saison.


Aus diesen Vorgaben und Überlegungen heraus ist eines klar: Egal welches der beiden Ziele verfolgt wird, der Weg geht über die Ranglistenrennen im Kleinboot. Das Mannschaftsboot steht immer am Ende und hat eine äußerst geringe Bedeutung im Saisonverlauf, auch wenn es am Ende heißt, dass die Medaille im Vierer oder Achter gewonnen wurde. In den Auswahlbooten beschränkt sich das Training in diesen Booten auf wenige Wochenenden und auch in der Renngemeinschaft ohne WM-Option verlängert sich die Phase des Großbootes nur um 4-5 Wochenenden.
Für die Ruderer und Trainer führt der Weg zum Erfolg also fast ausschließlich über den erfolgreichen, schnellen Einer (Skull) oder Zweier ohne Steuerperson (Riemen).


Warum schreibe ich das? Die wenigsten Ruderer des Ersten Kieler Ruder-Club werden sich einer solchen Saison stellen. Es geht mir vielmehr darum zu verdeutlichen, dass unsere erfolgreichen Sportler der letzten Jahre ihre Erfolge im Kleinboot verdienen mussten. Aus diesem Grund ist es unumgänglich, dass der EKRC in genau diese Boote investiert! Ohne die konkurrenzfähigen, passenden Einer und Zweier kann es keine erfolgreiche Saison geben. Ein Achter oder Vierer sehen in der Zeitung nach einer Bootstaufe toll aus und haben auch eine gewisse Berechtigung in den Bootshallen. Die Faszination eines großen Bootes mag für die ambitionierten Freizeitsportler dabei auch eine wichtige Rolle spielen. Für den Leistungssport hingegen haben diese Boote eine eher geringe Bedeutung.

Der gedankliche Schwerpunkt von Sportlern und Trainern in Training und Rennen muss auf die kleinen Boote gerichtet sein. In diesen Booten werden im Training wöchentlich etwa 6-10 Stunden verbracht, bei Topsportlern wie Melvin, Oskar oder Finja auch noch deutlich mehr. Etwa 9 von 12 Regatten und Leistungsüberprüfungen finden in den Kleinbooten statt.
Und genau in diesen Bootsklassen fehlt, trozt mancher Anschaffungen, das Material in weiten Bereichen. In einer Trainingsgruppe von konstant etwa 9-12 Sportlern über die vergangenen Jahre konnten wir aus unserem Bestand etwa 4 Sportler mit adäquaten Booten ausstatten. Den Rest müssen wir uns aus anderen Vereinen leihen und bekommen das Benötigte, wenn wir Glück haben.


Ich möchte um Verständnis bitten, dass ich seit Jahren (und auch nun) immer um die Anschaffung von Einern oder Zweiern bitte, die den heutigen Ranglistenbedingungen entsprechen. Boote mit einem Alter von 20 Jahren (und mehr) können dies einfach nicht mehr leisten. Die Chancen auf eine Medaille unserer Sportler – egal auf welchem der beiden skizzierten Wege – mit den von ihnen unzähligen investierten Stunden im Training hängen ganz maßgeblich vom adäquaten und verlässlich verfügbarem Bootsmaterial ab.

Mein Wunsch wäre, dass es einen Investitionsplan gibt, der darauf ausgerichtet ist, einen vollständigen Bootspark im Rahmen der zur Verfügung stehenden Kapazitäten (finanziell und räumlich) aufzubauen und zu erhalten.

Hauke Bartram, Clubtrainer

Bild: www.wintechracing.de

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