Der Blog zur Coastal Weltmeisterschaft 2018

18. Oktober 2018 | Von | Kategorie: Aktuell, Einstieg, Regatta

Ankündigung und Vorstellung


06.10.2018. Die Koffer sind gepackt, morgen früh beginnt unsere Reise. Wir, das Kieler Coastal-Team, starten nach Kanada zu den Weltmeisterschaften im Coastal-Rowing. Dem einen oder anderen aus dem Verein ist er schon aufgefallen – der Coastal-Vierer, der auf den Namen “Albatros“ hört, und seit einigen Wochen in der Bootshalle des EKRC liegt. Er wurde seitdem fleißig zur Vorbereitung auf diese Regatta genutzt. Und damit sind wir schon mitten in unserem Reiseblog.

Liebe Clubmitglieder, Freunde, Familie und wer hier sonst noch mitliest: Hier wollen wir euch die nächste Woche jeden Tag mit einem kleinen Bericht an dieser Regatta teilhaben lassen. Wir werden von unserem Training und den Rennen berichten, wir werden das ein oder andere Foto beisteuern und wir werden versuchen, so gut wie möglich, die Stimmung und Landschaft Vancouver Islands in Worte zu fassen.

Bevor wir morgen Nachmittag Europa in Richtung Nordamerika verlassen, möchten wir uns ganz kurz an dieser Stelle vorstellen:

Letztes Jahr, saß sie im erfolgreichen Frauen-Vierer, der Bronze geholt hat: Janine Howe wird sich dieses Mal im Einer an den Start wagen. Janine (1989) arbeitet als Pädagogin beim Landesjugendwerk der AWO in Kiel. Sie rudert bereits ihre fünfte Saison für den EKRC.

Bei den Männern geht der gleiche Vierer des Vorjahres in einer kleinen Umbesetzung an den Start. Die Mannschaft vom Bug zum Heck besteht aus:
Simon Kuwert (1998) studiert Medizin an der CAU im dritten Semester. Letztes Jahr noch am Steuer wird Simon dieses Mal selbst zu den Skulls greifen.
Henning Maiwirth (1998) ist Agrarwissenschafts-Student und ist für den EKRC in der laufenden Saison unter anderem bei den Deutschen Jahrgangsmeisterschaften an den Start gegangen, wo er die Bronze-Medaille geholt hat.
Jakob Grafe (1992) hat im Sommer sein Masterstudium in Wirtschaftschemie abgeschlossen. Im Clubleben ist er unter anderem auch als Jugendtrainer zu sehen.
Max Kölling (1996) ist Medizinstudent und sitzt auf dem Schlagplatz im Boot. Er war in dieser Saison bereits bei den europäischen Hochschulmeisterschaften in Portugal am Start.
Felix Eckel (1995) studiert Geophysik an der Uni Kiel und wechselt von der Bugposition ins Heck auf den Steuermannsplatz. Er rudert bereits seit 2013 im EKRC.

(Bermerkung: Da dieser Blog von Felix geschrieben wird, fokussiert sich die Erzählung hauptsächlich auf die Erlebnisse des Männer-Vierers)

Janin Howe – Bronze, Coastal WM in Thonon 2017

Simon Kuwert – Bug

Henning Maiwirth – Pos. 2

Jakob Grafe – Pos. 3

Max Kölling – Schlag

Felix Eckel – Steuermann



Canada, how are you?


08.10.2018. Nach insgesamt 14 Flugstunden ist das Ziel in Sicht. Nach einem Flug von Hamburg nach Amsterdam, einen sehr großen Sprung über den Atlantik, Grönland, die Labradorsee und die Tundra Kanadas nach Vancouver und einem kleinen Hüpfer nach Vancouver Island taucht die kleine Propellermaschine aus den tiefhängenden Wolken und setzt im regnerischen Victoria auf. Niemand weiß mehr so richtig, wie spät es eigentlich ist und wie lange wir schon auf den Beinen sind. Aber der Körper schreit mittlerweile nach Schlaf. Nur noch eine kurze Taxifahrt und wir sind in Sidney – der kleinen Stadt an der Ostküste Vancouver Islands, einige Kilometer nördlich der größten Stadt, Victoria. Doch davon bekommen wir nicht mehr viel mit, die Betten in unserer Hotelsuite sind einfach zu verlockend.

Typische Straßenszene in Sidney. Eine wunderschöne Stadt in Pacific Northwest.

09.10.2018. Zwischen Westkanada und Deutschland liegen neun Stunden Zeitunterschied. Kein Wunder, dass alle schon um 6 Uhr hellwach sind – dabei ist es draußen noch dunkel. Der Tag begann für uns mit einem Frühstück, natürlich im Diner: Pancakes mit Unmengen an Ahornsirup, klassischer Egg Benedict oder herzhafter Bacon. Dazu ein sich nie leerender Becher Kaffee. Wie kann man einen Tag besser starten?

Im Anschluss eine Entdeckungstour durch die Stadt. Sidney ist durchaus typisch für eine amerikanische Kleinstadt. Eine lange Avenue mit kleinen Geschäften an den Seiten, riesige Supermärkte mit einer gigantischen Auswahl an einfach Allem und überdimensionalen Autos an jeder Ecke. Dabei war in den Straßen gar nichts los. Es dauerte eine Weile bis wir den Grund fanden: Heute ist Thanksgiving! Ein Feiertag an dem fast alle frei haben.

Die Rennstrecke erkunden: Klares Wasser, viele Felsen und Steine

Bei leichtem Nieselregen erreichten wir die Küste am Ende der großen Avenue. Momentan rief das Wasser vielmehr nach dem Einsatz eines Rennbootes anstelle eines Coastal-Bootes. Es war komplett windstill. Keine Welle war zu in Sicht. Der Strand an dem der Start stattfinden soll ist ein Steinstrand. Voller Kieselsteine, Algen, Muscheln, gigantischem Kelp und angespültem Treibholz, durch das Meer ganz rund und glatt geschliffen. Von dem Regattaplatz ist noch keine Spur zu sehen. Doch das wird sich in den nächsten Tagen noch ändern.

Die Medizinstudenten in ihrem Element: Die kleinsten Meeresbewohner unter dem Mikroskop im Aquarium beobachten.

Ein bisschen weiter draußen auf dem Wasser sehen wir schon die Rückenflossen zweier Schweinswale und ein Seehund steckt fast direkt vor uns seinen Kopf aus dem Wasser. In einem kleinen Aquarium bekommen wir einen Eindruck von der Lebenswelt unter der Wasseroberfläche und beobachten einen Oktopus, wie er einen Krebs verspeist oder „streicheln“ Seesterne, Anemonen und Seegurken.
Es gibt da dieses Klischee über Kanadier: Sie seien außergewöhnlich freundlich. Wir können das jetzt definitiv bestätigen. Überall wurden wir von Leuten gegrüßt; das „How are you?“ ist, obwohl nur eine Phrase, allgegenwärtig und man kommt mit vielen Leuten ins Gespräch. Sei es der Angler, der auf dem Steg nach Krebsen fischt, der Passant, der sofort anbietet ein Gruppenfoto von uns zu machen oder der Kellner im Restaurant der aufspringt, sollte kein Wasser mehr im Glas sein.
Der heutige Tag war ein Erholungstag nach der Anreise und es gab noch kein Training für uns. Doch morgen sollen die Boote bereitliegen und dann werden wir mal testen, wie es sich hier rudert. Bis dahin: „Have a nice day!“



Mannschaft! steigt ein!

Vancouver Island: Fjorde, Wälder, Berge. Wunderschön!

09.10.2018. Der erste Trainingstag steht an. Wo es gestern noch keine Spur von der Regatta zu sehen gab waren viele fleißige Leute dabei Zelte und Absperrungen aufzubauen, als wir gegen Mittag am Regattaplatz ankamen. Auch die Boote lagen bereits bereit. Auf diesen Weltmeisterschaften ist Eurodiffusions der offizielle Ausstatter und Vermieter der Ruderboote. Die Boote sind gerade nagelneu aus Europa gekommen und stehen jetzt den Mannschaften zur Verfügung, die nicht ihre eigenen Boote mit nach Kanada gebracht haben. Das traf natürlich auch auf uns zu, denn einen Bootstransport auf die andere Seite der Welt zu organisieren ist nun einmal sehr aufwendig. Gestern war das Meer noch eine Badewanne – das hatte sich heute geändert. Wind war aufgekommen. Es gab zwar keine Schaumkronen auf dem Wasser, aber es gab doch viel mehr Wellengang. Dafür ist auch die Sonne erschienen und wir hatten das erste Mal einen schönen, klaren Blick auf die San Juan Inseln.

Punkt um 12 Uhr war die Strecke für das Training frei gegeben. Auch die großen Tetraeder-förmigen Bojen, die den 4km Rundkurs markieren, waren bereits ausgelegt. Die ersten Schläge in dem neuen Boot waren sehr ungewohnt. Zwischen diesem und dem Trainingsboot in Kiel gibt es doch einige große Unterschiede. Zunächst fällt uns auf, dass das Boot viel anfälliger für Wellen ist – das wird ein Rennen bei Bedingungen wie heute erschweren. Dafür ist der Wendekreis und Manövrierfähigkeit wahrlich beeindruckend.
Der Regattakurs besteht aus fünf Steuerbord- und einer Backbordwende. Hinzu kommt die Gezeitenströmung. Sie erreicht bis zu 2 m/s und muss berücksichtigt werden indem an der nächsten Boje etwas „vorbei“ gesteuert wird, um auf dem kürzesten Weg zu bleiben. Wir haben nun noch zwei weitere Trainingstermine um uns mit diesen – teilweise ungewohnten – Bedingungen vertraut zu machen.

Abenteuerlich: Eine alte Eisenbahnbrücke führt über die Schlucht

10.10.2018. Ein weiteres Training startete den Tag. Ab sofort ist die Regattastrecke ab 8 Uhr morgens frei gegeben. Heute allerdings ohne Wellen. Der Wind ist wieder eingeschlafen und so gab es nur noch die Strömung die den Kurs des Bootes beeinträchtigte. Das machte das Training einfacher und wir konnten uns mehr an das Boot gewöhnen.

Wandern im Goldstream Provincial Park

Das Boot steht uns den Tag für eine zweistündige Trainingseinheit zur Verfügung. Doch wie sollten wir den Rest des Tages füllen? Das Wetter zeigte sich wieder von seiner besten Seite. Eine kleine Wanderung wäre bestimmt eine gute Idee. Es gibt viele Provincial Parks in der Nähe. Doch wie kommen wir dahin? Die Busverbindungen konnten uns leider nicht helfen. Doch direkt um die Ecke liegt der Flughafen Victoria. Dort sollte es kein Problem geben, einen Mietwagen zu finden. Da wir sechs Personen sind, ist uns mit einem Kleinwagen natürlich nicht geholfen. Und hier gibt es exakt zwei Autogrößen: Kleinwagen oder komplett überdimensionierter SUV. Also gab man uns „das größte Auto auf dem Parkplatz“. Damit haben wir ohne Probleme eine halbe Stunde später einen Park mit vielen Wanderwegen erreicht. Da Vancouver Island doch sehr hügelig ist, war die Wanderung zu einer verlassenen Goldmine und einer alten Eisenbahnbrücke sogar eine nette zweite Trainingseinheit.



Beach Starts!

Was ein Blick: Auf den Felsen Kraft tanken für den morgigen Vorlauf.

11.10.2018. Der letzte Trainingstag. Noch einmal früh morgens um acht Uhr auf das Wasser. Es ist wieder windstill und in der Ferne fließt der Morgennebel über die Inseln. So schön das aussieht, wenn dieser Nebel aber in den nächsten Tagen auch den Rennkurs erreichen sollte, dann dürfte der Regattaablauf gehörig durcheinander geworfen werden. Denn bei Nebel lässt es sich schwer rudern – Sonst müssten wir noch einen Kompass mit ins Boot nehmen. Dieses Training nutzen wir um uns mit dem Startprozedere vertraut zu machen. Zum ersten Mal auf einer Coastal Weltmeisterschaft wird ein sogenannte Beach Start ausgetragen. Also ein Start direkt am Strand. Dazu schwimmen die Boote unmittelbar hinter der Wasserlinie im Wasser. Die Mannschaft darf erst mit dem Startsignal in das Boot steigen und los rudern.

Der Strand hier in Sidney ist ein Steinstrand und er fällt sehr steil ab. Das ist für die Einer und Zweier kein Problem. Wohl aber für unseren Vierer. Wenn der Bugmann neben seinem Platz im Wasser stünde, bräuchte er beinahe einen Schnorchel, so tief ist das Wasser an dieser Stelle bereits. Das hat zum Glück auch die FISA erkannt, und so darf der Bugzweier des Vierers bereits im Boot sitzen. Der Rest muss jedoch aussteigen – teilweise bis zur Hüfte ins 10 – 12°C kalte Wasser. Und dann heißt es schnell reinspringen, in das Stemmbrett, dabei nicht vom Rollsitz fallen, dann in die Startauslage und gemeinsam auf die Strecke. Wir brauchten ein paar Anläufe, bis wir das flüssig hinbekamen. Als Belohnung gab es dann aber einen herzlichen Applaus von den am Strand stehenden Freiwilligen des Orga-Teams. Nun sind wir gerüstet für morgen! Der Vorlauf kann kommen.

Wunderschöne Küste: Der East Sooke Regional Park.

Im Anschluss an das Training war erst einmal eine warme Dusche notwendig. Unsere Füße waren total abgefroren. Vielleicht könnte man eine Coastal WM auch mal in der Karibik austragen? Wie bereits geschildert, hatten wir nur diese eine Trainingseinheit an diesem Tag. Den Nachmittag haben wir in Form einer „aktiven Erholung“ an einem Strand verbracht, der so sehenswert war, dass wir gerne noch ein paar Zeilen darüber verlieren wollen. Das Auto das wir gestern gemietet hatten, stand uns noch den ganzen Tag zur Verfügung. Wir nutzten es um in den 60 km entfernten East Sooke Regional Park zu fahren – Ein großer Regionalpark an der Juan de Fuca Straße im Südwesten Vancouver Islands. Ein lockerer Spaziergang durch einen gigantischen, Farn überwucherten Urwald führte uns zu einer malerischen Bucht mit einem kleinen Kieselstrand und einer Insel in ihrer Mitte. Wir erreichten sie zwar nicht ganz trockenen Fußes, aber dafür war die Aussicht von den Felsen dieser Insel auf die Meerenge und die gegenüberliegenden Olympic Mountains schon surreal schön.

Mindestens genauso schnell wie ein Coastal-Vierer: Ein Seehund.

Wir wussten gar nicht, wo wie überall hinschauen sollten. Möwen, Adler, Seehunde, Seelöwen und Wale – es gab so viel zu sehen. Dazu gab es einen Blueberry Pie und ein paar Cookies. Wir wollten den Nachmittag nirgendwo anders verbringen und brachen erst wieder auf als die Sonne hinter den Bäumen verschwunden war. Das war dann auch spät genug – schließlich sollte es nicht schaden, rechtzeitig für den Vorlauf ins Bett zu gehen.



Der Vorlauf

12.10.2018. Der Tag ist da. Das erste Rennen steht endlich an – der Vorlauf. Bei 19 gemeldeten Booten im Männer-Vierer und 24 Booten im Frauen-Einer werden jeweils zwei Vorläufe ausgefahren. Janine wurde in den ersten Vorlauf gelost, der Vierer in den zweiten Vorlauf. Dadurch bestand für dieses Boot sogar noch die Möglichkeit eines Frühstücks, denn das Rennen war erst für 10:20 angesetzt. Wach waren wir jedoch schon viel eher. Klar ist man ein wenig aufgeregt, aber vor allem voller Vorfreude. Schließlich haben wir eine fast 8000 km lange Reise für diese beiden Tage und diese besondere Regatta auf uns genommen.

Dichter Nebel verzögert den Zeitplan

Doch als wir an der Strecke ankommen, ist von dieser gar nicht viel zu sehen. Es kündigte sich gestern schon an: Nebel. Die Inseln waren verschwunden und die Bojen nur noch als Schatten auszumachen. Keine Chance auf ein Rennen; die wurden um eine Stunde verschoben. Doch es dauerte gar nicht mehr lange, bis die aufgehende Sonne den Nebel auflöste und einen wunderschönen blauen Himmel offenbarte. Der erster Lauf mit unserer Beteiligung also: Janines Einer. Unser Vorsitzender Bernd Klose höchstpersönlich hatte die Ehre, den Starthelfer für Janine zu spielen – und ging in dieser Rolle völlig auf. Mit vollem Einsatz half er Janine beim Beach Start und schickte sie auf den Rundkurs. Sie hatte keine Probleme am Start. Mit ein paar Steuerproblemen, auch bedingt durch die Strömung, musste Janine den einen oder anderen Schlag mehr fahren, weil sie teilweise weit aus der Strecke herausgetrieben wurde. Dennoch wurde sie souverän Sechste. Das reicht für das A-Finale!

Währenddessen war der Rest von uns schon mit den Vorbereitungen des Männer-Vierers beschäftigt. Boot kontrollieren, Skulls einstellen, die extra bedruckten Einteiler anziehen, den Steuermann in die Schwimmweste zwängen und die Pässe zum Check-Out heraus suchen. Dann geht der Vierer auf dem Trailer die Slip-Anlage herunter und ab geht es in die Warm-Up Zone. Fünf Minuten vor Startzeit liegen wir bereit am Eingang zum Beach-Start und warten auf den Aufruf. Noch zwei Minuten, unser Boot liegt am Strand und ist ausgerichtet. Jakob, Max und Felix steigen aus, Simon und Henning dürfen sitzen bleiben. Die Mannschaften werden dem Publikum vorgestellt. Noch eine Minute. Die Musik aus den Lautsprechern geht aus und plötzlich ist es ganz still. Keiner sagt ein Wort. Alle sind konzentriert. Das Publikum hält den Atem an. Noch 30 Sekunden. Die Mannschaft im Heck nimmt seine Position neben dem Boot ein. Achtung! Los!

Unser Boot. Der Eurodiffusion Vierer “GER01”.

Das Einsteigen klappt ohne Probleme. Wir sind nicht die Schnellsten am Start. Nach den ersten Schlägen sind sechs Boote etwas besser weggekommen. Doch das verunsichert uns nicht. Bis zur ersten Boje sind es 1,4 km. Auf dem Weg dahin kämpfen wir uns langsam auf den dritten Platz vor. Nur Monaco und Großbritannien liegen noch vor uns. Ein kleiner Zweikampf mit dem zweiten deutschen Boot entscheiden wir uns nach einen kleinen Zwischenspurt für uns und ab der ersten Boje droht keine Gefahr mehr. Nur 400 m bis zur nächsten Boje und dann auf der langen 900 m Strecke wieder in Richtung Land. Großbritannien liegt 1,5 Längen voraus, doch der Abstand bleibt konstant. Monaco etwas über 3 Längen. Dann noch drei Bojen und wir drehen auf die Zielgerade ein. Der Abstand zu Monaco ist nur ein wenig gestiegen, die Briten haben wir auf fast eine Länge eingeholt. Doch sie kämpfen. Wir halten dagegen. Wir sind drauf und dran weiter aufzuholen – doch dann ist das Rennen auch schon vorbei.

Etwa 16 Minuten nach dem Start ertönt das erlösende Zielsignal. Ein souveräner dritter Platz – ganz sicher das A-Finale erreicht. Das gibt Mut für morgen. Der Kurs wird dann noch einmal zwei Kilometer länger sein.
Und den Pumkin Pie aus dem Supermarkt haben wir uns jetzt alle wirklich verdient. Dann noch ein paar Rennen gucken und den Rest des Tages einfach mal gar nichts machen um Kraft für den ultimativen Endlauf tanken. Wir werden jedes einzelne Körnchen davon brauchen!



Das Finale

Es ist geschafft: Max, Jakob, Janine, Felix, Simon und Henning nach ihren Finalrennen.

13.10.2018. Deswegen sind wir hier. Der Finaltag. Wir haben es gestern mit beiden Booten ins A-Finale geschafft. Janine im Frauen Einer und Simon, Henning, Jakob, Max und Felix im gesteuerten Männer-Vierer. Wir konnten eigentlich entspannt ausschlafen. Um sechs Uhr waren aber alle bereits wach. Noch sechs Stunden bis zum Rennen. Zeit für ein schönes Frühstück; das mit den sich nie leerenden Kaffeebechern. Im Anschluss eine Rennbesprechung. Die ist definitiv hilfreich, um sich auf das einzustellen, was auf uns zukommen wird. Nicht so sehr hilfreich jedoch für den Adrenalinspiegel. Der geht erst einmal ordentlich in die Höhe, als wir durchsprechen, was wir erwarten können.

Gestern hatten wir die viertschnellste Zeit von allen Booten. Allerdings sind die Zeiten aus den beiden Vorläufen wegen unterschiedlichen Gezeitenströmungen nicht so sehr vergleichbar. Wir können erwarten, dass die Italiener und Monegassen sich absetzen werden. Was dahinter geschieht, ist sehr schwer zu sagen. Heute werden noch einmal zwei Kilometer mehr zu rudern sein. Sechs Kilometer lang alles geben. Um jeden Schlag kämpfen. Was ist unser Ziel? Im letzten Jahr haben wir einen 16. Platz belegt. Da wir in diesem Jahr nur 12 Boote im Finale sind, werden wir dieses Ergebnis auf jeden Fall verbessern können. Aber um wie viel? Es starten zwei andere deutsche Männer-Vierer. Das Ziel, bestes deutsches Boot zu werden, sollte möglich sein.

Genug Panzertape und die Halterung für die Schlagzahluhr hält sicher.

2 Stunden vor dem Rennen. Wir brechen zum Regattaplatz auf. Das Wetter übertrifft sich heute sogar noch einmal. Es weht praktisch kein Wind und die Sichtweite ist so gut, dass der über 110 km weit entfernte Mount Baker der mit seinem schneebedeckten Gipfel aus der Gebirgskette am Horizont herausragt, klar zu sehen ist. Unser Boot liegt bereit, wir kontrollieren in Ruhe jeden einzelnen Ausleger, messen jeden Skull nach, montieren die Schlagzahluhr mit drei Lagen Panzertape und bringen den „GER01“ Aufkleber sorgfältig an beiden Seiten des Bugs an. Dann zum Check-Out und ein letztes Mal lassen wir das Boot die Rampe ins Wasser hinunter. Von Überall wünschen uns die zahlreichen Helfer hier auf dem Regattaplatz viel Glück. Dann geht es wieder in den Aufwärm-Kreisel. Unser Einfahrprogramm klappt hervorragend.

Die letzten Kontrollen am Boot. Ist jeder Ausleger fest?

Die Boote werden aufgerufen und wir fahren an unseren Startplatz am Strand. Wie gestern wird wieder ein Beach-Start gefahren. Die Bugleute dürfen wieder im Boot sitzen bleiben, der Rest steht im kalten Wasser. Wir haben uns entschlossen, dieses Mal auch die Hilfe von unserem Vorsitzenden als Boat Handler am Start zu nutzen. Bernd soll uns anschieben, sobald alle im Boot sind. Henning und Simon werden die ersten Schläge alleine rudern, bis Max und Jakob ihre Füße im Stemmbrett haben und mit einsetzen können. In der Theorie sollten wir damit einen besseren Start fahren können.

Die Anspannung ist enorm. Der Adrenalinpegel ist sehr hoch. Noch einmal in Ruhe durchatmen. Das wird gleich nicht mehr möglich sein. Die letzten 30 Sekunden werden angesagt – es wird wieder ganz still am Start. Und dann geht das Horn und wir starten auf diese sechs unglaublich schweren Kilometer. Der Start läuft fehlerfrei – aber bei fast allen anderen Booten noch besser. Wir kommen nicht gut raus. Zehn Boote liegen vor uns. Doch wir bleiben wieder ruhig, die ersten Schläge sind gerade erst gerudert. Noch so viele liegen vor uns. Das spanische Boot und ein chinesisches Boot sind die ersten die von uns überholt werden. Auf der ersten Strecke ist das Feld noch sehr dicht zusammen, wir fahren mit vielen Booten auf einmal auf die erste Boje zu. Das wird eng.

Die Boote von Eurodiffusion können sehr enge Manöver fahren – das könnte unsere Chance sein. Wir nehmen die Boje sehr eng, jetzt bloß nicht die Skulls beim Kontakt verlieren. Es geht alles gut und wir finden hinter dem Manöver ruhiges Fahrwasser. Die zweite Strecke ist 1,9 km lang. Wir lassen die Hamburger hinter uns und fahren auf zu den Briten mit denen wir uns bereits gestern duelliert haben. Es wird wieder gekämpft. Beide Boote pushen sich mit einem Druckzehner nach dem Nächsten hoch. Wer kann das länger durchhalten?

Durch diese Tempoverschärfung fahren beide Boote auch auf das Bonner Boot auf. Bei der zweiten Boje liegen wir wieder auf der Innenbahn. Doch die britische Steuerfrau schneidet uns den Weg ab. Es kommt zur Kollision. Max wird beinahe aus dem Boot gehebelt. Simon und Henning versuchen alles, das Tempo aufrecht zu halten, obwohl wir einen Skull haben, der sich im Wasser verkantet hat. Wir gehen zum Glück ohne Schäden aus dem Manöver, Max findet seinen Skull wieder, doch die Briten müssen sich uns in diesem Moment geschlagen geben. Jetzt das Bonner Boot. Wir haben enorm mit Motorbootwellen zu kämpfen, die von allen Seiten kommen und uns hin und her schleudern. Doch das haben wir auf der Förde geübt. Zentimeter um Zentimeter schieben wir uns vor. Noch ein Zehner und dann sind wir vorbei.

Mittlerweile sind wir auf dem sechsten Platz angekommen. Das nächste Boot ist etwa 2,5 Längen weg. Das dritte Manöver. Die Strecke dahinter ist nur 300 m lang. Das sprinten wir weg. Eine Wende später biegen wir auf den letzten Kilometer ein. Jetzt sind alle schon lange im Anschlag. Noch 500 m und wir brauchen alles was noch da ist. Der Abstand ist auf unter zwei Längen geschrumpft. Die Schlagzahl geht nochmal auf über 34. Unter den Anfeuerungsrufen des Publikums geht es durch die Ziellinie.

Wir beenden die Coastal-Weltmeisterschaften als sechste und haben uns damit um 10 Plätze zu letztem Jahr verbessert. Wir sind das beste deutsche Boot. Unsere eigenen Ziele haben wir mehr als erreicht. Es war eines der härtesten Rennen, das jeder von uns jemals gefahren ist. Alles tut weh und doch sind wir so glücklich.
Während wir versuchen wieder festen Boden unter die Füße zu bekommen und unsere Sauerstoffvorräte irgendwie wieder auffüllen, startet Janine bereits im Frauen Einer ins Finale. 16 Booten wurden dort auf die Strecke geschickt. Janines Bug überquert als 11. das Ziel. Ein tolles Ergebnis für Janine. Sie hatte niemanden, mit dem sie sich die Qualen über diese Distanz teilen konnte. Niemanden, der den Kurs für sie hielt. Niemanden, der sie auf dem Wasser motivierte. So stehen sechs zufriedenen Kieler Ruder/-innen an der Küste von Sidney und beobachten die restlichen Rennen der Regatta, die damit nach zwei Tagen auch schon wieder vorbei ist.

Soviel soll es zu diesem Finaltag sein. Uns bleiben noch 2,5 Tage, bevor wir wieder nach Deutschland zurück kehren. Auch davon wird natürlich noch ein Bericht folgen.
Zunächst bedanken wir uns aber schon einmal bei allen, die mit uns mitgefiebert haben. Wir müssen jetzt ganz dringend ins Bett! Gute Nacht!



Der Ausklang

Sehr spektakulär – die gigantische Fluke des Buckelwals.

14.10.2018. Heute gibt es keinen Wecker. Wir können so richtig ausschlafen. Jetzt kann der spaßige Teil richtig beginnen. Nicht, dass wir vorher keinen Spaß hatten. Auch wenn das Rennen so hart war, hat es doch auf seine ganz eigene Art und Weise Spaß gemacht. Wenn wir auch nur an die letzten 24 Stunden denken, steigt unser Puls gleich wieder an. Jetzt wollen wir doch gerne noch ein bisschen mehr von der Gegend sehen. Als Austragungsort der Regatta wurde immer Victoria genannt. Victoria ist die größte Stadt auf der Insel und ist das Zentrum eines großen Ballungsraumes zu dem auch Sidney gehört, wo die Rennen tatsächlich stattgefunden haben. Ein Doppeldeckerbus bringt uns direkt ins Zentrum zum Inner Harbour.

Der Hafen von Victoria ist ein großes Gewusel. Katamarane aus Seattle und Vancouver legen an und ab, kleine Wassertaxis fahren kreuz und quer durch die Gegend, Whale Watcher verlassen den Hafen mit ihren Booten, Kajakfahrer versuchen dem Chaos möglichst dicht unter Land umgehen und zu all dem starten und landen Wasserflugzeuge mitten im Hafen. Wir beschließen, bei einem der vielen Whale Watcher mitzufahren. Das offene Zodiac bringt uns mit bis zu 80 km/h raus auf die Juan de Fuca Straße. Wir sind so froh, dass wir vorher mit wärmenden Überlebensanzügen ausgestattet wurden. Der Fahrtwind war wirklich sehr kalt.

Und dann sehen wir tatsächlich Wale. Buckelwale, um genau zu sein. Wir sind sehr beeindruckt von diesen gigantischen Tieren, insbesondere als einer von ihnen plötzlich mit seiner Fluke kräftig auf das Wasser schlägt. Dann sehen wir Seelöwen die auf einer Leuchtturminsel in der untergehenden Sonne liegen. Eine Insel weiter liegen Seehunde und Robben und noch eine Insel weiter sind die Seeelefanten beheimatet. Scheint eine ziemlich geordnete Nachbarschaft hier zu sein. Jeder hat seine eigene Insel. Als wir kurz vor Sonnenuntergang wieder mit Vollgas in den Hafen fahren, sind wir ganz schön durchgefroren.

Man kann Vancouer Downtown schon sehen. Unser Wasserflugzeug ist im Landeanflug.

15.10.2018. Wir verlassen Vancouver Island. Aber auf die abenteuerliche Weise. In einem etwas zu kleinen Taxi für uns fünf und unsere recht großen und schweren Koffer fahren wir ein bisschen wie die Sardinen in der Büchse zurück zum Hafen von Victoria – zum Inner Habour Airport. Hier wartet eine Twin Otter darauf, uns nach Vancouver zu bringen. Das ist ein zweimotoriges Wasserflugzeug. Es ist ganz schön eng da drinnen. 18 Passagiere passen hinein, aber man hat noch weniger Platz als in dem Taxi vorhin. Immerhin müssen wir unser Gepäck nicht auf den Schoß nehmen – das verschwindet mit einem orangefarbenen „Heavy“-Aufkleber hinten im Gepäckraum. Kann es eigentlich sein, dass wir ein bisschen zu viel Gepäck dabei haben?

Wir sitzen in den ersten Reihen und können den Piloten bei ihrer Arbeit zuschauen. Nach einer kleinen „Hafenrundfahrt“ hat das Flugzeug seine ideale Startposition erreicht. Dann gehen die Schubhebel auf Vollgas und die Motoren dröhnen so richtig laut auf. Mit ein bisschen Gerumpel düst der Flieger auf die Docks am Ende des Hafens zu – doch es ist genug Platz und wir sind lange vorher in der Luft. Die Route führt uns an Sidney vorbei, über die Inseln, die Straße von Georgia in Richtung Vancouver. Eine halbe Stunde nach dem Start kommt die Downtown von Vancouver in Sicht – eine Halbinsel mit unzähligen Hochhäusern und an ihrer Spitze die große Waldfläche vom Stanley Park. Wir gehen in den Sinkflug und ein wenig später setzen wir überraschend sanft unmittelbar vor der Stadt auf. Die Docks des Flughafens sind wirklich direkt in der Stadt. Fünf Minuten Fußmarsch später haben wir unser Hotel erreicht. Das war ein Erlebnis – und das absolute Endlevel für diejenigen unter uns, die jedes Flugzeug mit einem gewissen Maß an Respekt betreten.

Wir haben noch etwa 24 Stunden in dieser Stadt bevor es zurück nach Europa geht. Wir entscheiden uns dafür, Stanley Park zu erkunden. Von dem Park auf einer Landzunge hinter den Hochhäusern haben wir eine wunderschöne Aussicht auf die Stadt und umliegenden Berge. Vor uns fahren Bulk-Frachter und große Tanker vorbei. Von dem Wasserflugplatz startet ein Flugzeug nach dem anderen über unsere Köpfe hinweg – hier ist mehr los als an so manchem internationalen Flughafen! Wir sind mitten im Herbst und die Laubbäume strahlen in gelb und rot, was vor dem – wieder einmal – strahlend blauen Himmel wunderschön aussieht.

Das 107 Jahre alte Bootshaus des Vancouver Rowing Clubs.

Wir kommen auch am Bootshaus vom Vancouver Rowing Club vorbei durch das wir eine kleine Führung erhalten. Das Bootshaus aus dem Jahre 1911 steht auf Stelzen, besticht von außen durch seine vielen weißen Holzgiebel und die große Front an Hallentoren, und von innen durch diverse Clubräume mit mindestens drei Bars, einem großen Ballsaal einer respektablen Sammlung von Pokalen im Trophäenzimmer. In den Bootshallen lagern vor allem Boote von Wintech und dem kanadischen Bootsbauer Hudson. Auffällig ist, dass es ausschließlich Rennboote gibt. Dafür ist das Ruderrevier recht klein. Hauptsächlich steht nur eine etwa 1,5 km lange Strecke bis zum Wasserflugplatz zur Verfügung, dahinter gilt Fahrverbot. Der Club hat bereits eine lange Vereinsgeschichte hinter sich – doch wir können trotzdem mit ein wenig Stolz feststellen, dass es den EKRC bereits 24 Jahre gegeben hat, bevor sich der Vancouver Rowing Club gegründet hatte.

Oktopus vs. Nautilus -der Kampf der Handpuppen. Wir haben viel Spaß im „Kids Market“ auf Granville Island.

16.10.2018. Der Abreisetag. Da die Flüge nach Europa in der Regel erst am Nachmittag starten, verbleiben uns trotzdem noch ein paar Stunden in Vancouver. Wir durchqueren die Stadt einmal zu Fuß von Norden nach Süden bis nach Granville Island – die eigentliche Halbinsel in einem Meeresarm war einst Industriegebiet, ist jetzt aber ein Kulturschwerpunkt. Es gibt hier viele kleine Kunstläden, eine große Markthalle sowie Cafés und Restaurants. Und man kann auch einfach am Wasser sitzen und das Treiben beobachten – allerdings sollte man dabei aufpassen, dass einem die Möwen nicht das Baguette aus der Hand stehlen. Ein kleines Wassertaxi bringt uns zurück nach Donwtown und einen kleinen Bummel durch die Einkaufsstraßen Vancouvers ist unsere Zeit um. Ein völlig automatisierter Zug bringt uns zum Flughafen. Völlig automatisiert bedeutet allerdings nicht, dass er störungsfrei läuft – er steht im Stau. Wahrscheinlich läuft er auf Windows.

Was verbleibt noch zu erzählen? Der Rückflug war es nicht so wert, erzählt zu werden. Wir kommen am Ende völlig übermüdet in Kiel an. Wir wollen nur noch schlafen. Vielleicht sollten wir an dieser Stelle ein kleines Fazit ziehen? Wir waren 10 Tage unterwegs. Wenn man es genau bedenkt, war das ganz schön viel. Dafür, dass wir „nur“ für eine Regatta nach Kanada geflogen sind, haben wir so viel gesehen und uns ein kleines Bisschen in Vancouver Island verliebt. Die Freundlichkeit der Einwohner dort hat uns ebenso beeindruckt, wie die wunderschönen und vielseitigen Landschaften. Die Regatta selbst war durchweg gut organisiert und auch hier haben wir uns durch die vielen ehrenamtlichen Helfer und auch die Einwohner Sidney immer willkommen gefühlt. Man hat gemerkt, dass die ganze Stadt im Coastal-Hype war und dieses große Sportereignis auf viel Begeisterung gestoßen ist. Unser persönliches Abschneiden ist uns selbst eine kleine Überraschung gewesen und wir können behaupten, das Beste aus dem Rennen heraus geholt zu haben.

Wir möchten uns bei der Unterstützung von zu Hause bedanken, sowie allen Lesern, die bis hier hin durchgehalten haben.
Wir freuen uns darauf, euch gerne persönlich, ob beim Training oder beim Pellkartoffelessen, mehr von unseren Erlebnissen zu erzählen.

Das Kieler Coastal Team
Janine Howe, Simon Kuwert, Henning Maiwirth, Jakob Grafe, Max Kölling und Felix Eckel

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